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Globalisierter Hass – Exportschlager Pegida

 

Exportschlager Pegida: Globalisierter Hass
Auch im Westen gibt es seit Monaten kleinere Pegida-Aufmärsche © Danny Marx

Von Dresden bis Australien – mit zeitgleichen Kundgebungen in 15 Ländern will Pegida am Samstag beweisen, dass sie es zur weltweiten Bewegung gebracht hat. Doch ihr Erfolg im Ausland ist bislang überschaubar. Von der rassistischen Stimmung profitieren dort vor allem die rechtskonservativen und rechtsextremen Parteien, die die Forderungen von Pegida längst im Programm haben.

Mehr als 10.000 Teilnehmer erwarten die Pegida-Veranstalter am Samstag zu ihrer Kundgebung am Elbufer unter dem Motto Festung Europa. Kenner schätzen die Zahl als durchaus realistisch ein. Auf einer Großbildleinwand soll es Liveschaltungen nach Amsterdam, Graz, Prag, Birmingham und Bratislava geben. Die Kundgebungen sind eine Machtdemonstration dieser neuen rassistischen Bewegung. Sie will Stärke zeigen – über die Grenzen hinaus.

Jahrzehntelang schauten Rechtsextreme und Protagonisten der Neuen Rechten aus Deutschland sehnsüchtig in ihre Nachbarländer. Als Geert Wilders mit seiner Partei PPV bei den Parlamentswahlen 2006 in den Niederlanden aus dem Stand heraus 5,9 Prozent der Stimmen erhielt, war der Jubel groß. Doch damals war Deutschland noch weit entfernt von montäglichen Pegida-Aufmärschen oder rechtspopulistischen Parteierfolgen wie dem der Alternative für Deutschland.

Auch als in den Folgejahren die PVV zur drittstärksten politischen Kraft der Niederlande wurde und neue Rechtspopulisten in nahezu allen europäischen Ländern ihren Siegeszug antraten, blieb der Erfolg in Deutschland aus. Die Islamhasser von Pro Köln verschwanden nach kurzem Achtungserfolg bald wieder von der Bildfläche. Die Freiheit von Ex-CDU-Mitglied René Stadtkewitz gab nach dem vernichtenden Ergebnis von einem Prozent der Stimmen bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen 2011 schnell wieder auf.

Heute aber schauen insbesondere parteiunabhängige rechtsextreme Gruppen aus ganz Europa gebannt nach Deutschland, genauer gesagt nach Dresden. Die Ausdauer, die zunehmende Radikalisierung und der gesellschaftliche Einfluss von Pegida beeindruckt sie. Dass das Pegida-Konzept außerhalb Dresdens kaum Erfolg hat und zumindest in Westdeutschland meist nur ein verlorenes Häuflein Rechtsextremer und Hooligans die Kundgebungen besuchen, interessiert sie nicht.

Begeistert berichten ausländische Rechtsextreme im Netz von ihren Reisen nach Dresden. Wie hier Tausende „normale Bürger“ einträchtig mit gewaltbereiten Neonazis und Hooligans Montag für Montag aufmarschieren, das ist der Traum jeder rechtsextremen Gruppierung.

„Patrioten Europas, vereint euch!“

Größter Pegida-Fan ist der Brite Tommy Robinson. Er hat 2009 die Anti-Islam-Bewegung English Defense League (EDL) gegründet. Eine Mischung aus schlagkräftigen Hooligans, Neonazis und Rassisten, die bei ihren Aufmärschen meist derart betrunken sind, dass sie sich regelmäßig mit der Polizei anlegen oder gleich gegenseitig verprügeln. Trotzdem hat die EDL beste Kontakte zur rechtspopulistischen UK Independence Party (UKIP) und der rechtsextremen British National Party. Am 5. Januar flog Robinson auf Einladung von Pegida nach Dresden und kündigte dort als Gastredner den weltweiten Protesttag an.

Er ist nicht der erste ausländische Redner bei Pegida. Im Frühjahr 2015 reiste der Anti-Islam-Star Wilders an. Auch Redner aus Polen, Dänemark und der Schweiz standen schon auf der Pegida-Bühne.

Aber wie passen rassistische Ausgrenzung und länderübergreifende Kontakte zusammen? Kann man eine Rednerin aus Polen einladen und im nächsten Moment wieder gegen die „Auto-klauenden Polacken“ hetzen?

Der Schlüssel ist das Konzept des Ethnopluralismus der Neuen Rechten. Das gemeinsame Bindeglied ist der Hass auf den Islam. Anders als beim klassischen Rassismus wird beim Ethnopluralismus auf die wissenschaftlich nicht haltbare biologistische Argumentation verzichtet. Es geht nicht mehr um die angebliche „genetische Reinheit“ eines Volkes. Stattdessen wird behaupten, es gäbe „unveränderliche kulturelle Identitäten“. Diese müsse man vor „Fremdeinflüssen“ schützen. Kurz gesagt: Wenn jedes Volk dort bleibt, wo es ist, kommt die Welt wieder in Ordnung. Dass alle Kulturen der Welt durch verschiedenste Einflüsse entstanden sind, wird ausgeblendet. „Wir müssen das Abendland schützen“ klingt am Ende schöner als „Ausländer raus!“.

Wenn Robinson das schreibt, klingt es so: „Patrioten Europas, vereint euch! Wave your flag!“ Mit diesen Worten warb er bei seinen knapp 120.000 Twitter-Followern für eine Reise nach Dresden.

Tatsächlich gab es im vergangenen Jahr Pegida-Kundgebungen in nahezu allen europäischen Ländern und auch Übersee in Kanada und Australien. Doch ein Blick auf die konkreten Zahlen zeigt, wie wenig Rückhalt der Dresdner „Exportschlager“ tatsächlich hat. Kaum eine Kundgebung hatte mehr als 100 Teilnehmer. Die größte Niederlage erlitt Pegida im schwedischen Malmö. Dort standen im Februar 2015 ganze zwölf Pegida-Anhänger rund 5.000 Gegendemonstranten gegenüber.