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Neonazis planen erneut „Gedenkmarsch“ in Remagen

 

Alle Jahre wieder ziehen Neonazis durchs rheinland-pfälzische Remagen ©Philipp Reichert

Am Samstag planen Neonazis einen „Gedenkmarsch“ in Remagen. Weil dort zum Ende des Zweiten Weltkriegs ein Gefangenenlager der Alliierten existierte, treffen sich einmal im Jahr Rechtsextreme in dem Ort in Rheinland-Pfalz. Zahlreiche Organisationen rufen auch in diesem Jahr zu Protesten gegen die Veranstaltung auf. Am Abend soll es offenbar zudem ein Rechtsrockkonzert in Westdeutschland geben.

Bereits zum neunten Mal treffen sich Neonazis in diesem Jahr zu ihrem geschichtsrevisionistischen Aufmarsch in Remagen. In der Vergangenheit wurde dieser von Gruppierungen aus Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen organisiert. Auch Neonazis des ehemaligen „Aktionsbüro Mittelrhein“ beteiligten sich an der Organisation. Die Gruppe stand bis vor kurzem in Koblenz vor Gericht. Ihnen war die Bildung einer kriminellen Vereinigung, Körperverletzung und Sachbeschädigung vorgeworfen worden. Im Sommer platzte der Prozess nach mehr als 300 Verhandlungstagen wegen der „überlangen Verfahrensdauer“. Wie es weiter geht, ist noch unklar.

Wie schon in den Vorjahren gibt es kaum öffentliche Werbung für den extrem rechten Aufmarsch. Die Veranstaltung sei ein „Pflichttermin“, den man nicht „lautstark bewerben“ müsse, heißt es in der Szene. Trotzdem kommen seit Jahren knapp 200 Neonazis nach Remagen – vor allem aus den angrenzenden Bundesländern. Unter ihnen sind führende Köpfe der westdeutschen Neonaziszene. Sie sind teils aktiv in den Ablauf der Veranstaltung eingebunden. So etwa Ralph Tegethoff aus Nordrhein-Westfalen, der seit Jahren die Zeremonie der „Totenehrung“ durchführt.

Der Aufmarsch in Remagen ist nicht nur die größte Veranstaltung dieser Art in Rheinland-Pfalz. Er hat sich über Jahre hinweg als festes Event in der westdeutschen Neonazi-Szene etabliert.

Ralph Tegethoff bei der „Totenehrung“ beim Gedenkmarsch in Remagen 2016 © Philipp Reichert

 

Umdeutung der Geschichte

Anlass für den alljährlichen Aufmarsch sind die „Rheinwiesenlager“. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs errichteten die Alliierten entlang des Rheins etwa 20 dieser Lager, um die große Zahl der deutschen Kriegsgefangenen unterzubringen. Historiker gehen  von etwa 5.000 bis 10.000 toten Kriegsgefangenen aus. In der Neonazi-Szene hingegen kursieren Zahlen von bis zu einer Millionen toter deutscher Soldaten. Die Überhöhung der deutschen Opferzahlen gehört zum geschichtsrevisionistischen Umgang der extrem rechten Szene mit den historischen Ereignissen und erfüllt in den meisten Fällen die Funktion einer Täter-Opfer-Umkehr.

Proteste angekündigt
Zahlreiche Organisationen rufen zu Protesten gegen den Gedenkmarsch auf. Gleich mehrere Veranstaltungen sind angekündigt. Neben einer großen antifaschistischen Demonstration soll es auch in diesem Jahr wieder die sogenannte Meile der Demokratie geben, auf der sich Verbände, Parteien und Schulen mit Infoständen präsentieren. Bereits am Freitag fand in Remagen eine Mahnwache für die Opfer des Nationalsozialismus statt.

Rechtsrockkonzert angekündigt
Für den Abend bewerben Neonazis zudem ein Rechtsrockkonzert in Westdeutschland. Auftreten sollen die Bands „Germanium“, „Blitzkrieg“, „Exzess“ und „Barbarossa“. Wo das Konzert stattfinden soll, ist unklar. Wie für die Szene üblich, bewerben die Bands das Konzert, ohne den genauen Veranstaltungsort anzugeben. Die Veranstaltung scheint jedoch in der Nähe von Remagen geplant zu sein. So ruft die Band „Germanium“ dazu auf, „zuerst zum Gedenkmarsch nach Remagen, dann zum Konzert“ zu fahren. Ob die Veranstalter des Gedenkmarsches auch das Konzert organisieren, ist ebenfalls unklar. Das erscheint jedoch unwahrscheinlich, denn die Organisatoren des „Gedenkmarsches“ legten in der Vergangenheit viel Wert auf „Disziplin“ und den elitären Charakter der Versammlung. Im Anschluss auf einem Konzert zu feiern, passt eigentlich nicht zu diesem Selbstverständnis.

Zunächst nannte die Band als Konzertort „Westeuropa“ © Screenshot Facebook

Auch die Behörden kennen den genauen Vertanstaltungsort des Neonazi-Konzertes wohl nicht. Die zuständige Polizeidirektion in Mayen teilte auf Anfrage des ZEIT ONLINE Störungsmelders mit, sie wisse von der Ankündigung, könne aber derzeit noch keine näheren Auskünfte geben. Zuerst hatte der Blick nach Rechts über das geplante Konzert berichtet.