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Erste juristische Konsequenzen nach antisemitischem Angriff 2015 in Zürich

 

Auftritt der Band „Amok“ beim „Eichsfeldtag“ 2017 in Leinefelde © Lukas Beyer

Nach einem antisemitischen Angriff in Zürich 2015 wurde nun ein Neonazi verurteilt. Andere konnten nicht belangt werden. Der Haupttäter, der Sänger der Neonazi-Band „Amok“, muss sich Anfang 2018 für den Übergriff verantworten. Er ist auch in Deutschland aktiv.

von Fabian Eberhard

Die rassistische Attacke schockierte die Schweiz: Im Juli 2015 griff ein Mob von 20 Neonazis einen orthodoxen Juden in Zürich Wiedikon an. Während eines Polterabends bespuckten die Männer den Gläubigen, bedrohten und beleidigten ihn. Es war der massivste Übergriff von Rechtsextremen in der Schweiz seit Jahren. Mehr als zwei Jahre nach dem antisemitischen Vorfall hat die Staatsanwaltschaft Zürich ihre Ermittlungen nun abgeschlossen. Einer der Angreifer, Peter S., Maurer aus dem Kanton St. Gallen, wurde per Strafbefehl zu einer happigen Geldbuße verurteilt. Haupttäter Kevin Gutmann, Sänger der Neonazi-Band Amok, muss Anfang 2018 vor Gericht erscheinen – ihm drohen zweieinhalb Jahre Gefängnis. Gegen die restlichen Beteiligten konnte die Justiz offenbar nicht genügend Beweise sammeln.

Hohe Geldstrafe für Verherrlichung des Nationalsozialismus

Das vorliegende Urteil gegen den 24-jährigen Maurer zeigt jetzt erstmals im Detail, was sich an jenem Juliabend ereignete. Demnach pöbelten die betrunkenen „Blood & Honour“-Anhänger den orthodoxen Juden in einer Quartierstrasse an, verfolgten ihn mehrere hundert Meter und ließen auch dann nicht von ihrem Opfer ab, als zwei Stadtpolizisten auftauchten. S. freute sich offen darüber, «dass im Zweiten Weltkrieg fünf Millionen Juden gestorben» seien. Er drohte dem Gläubigen mit Gewalt, schrie mehrmals «Heil Hitler» und streckte den Arm zum Hitlergruß.

Die Staatsanwaltschaft Zürich sprach S. wegen Rassendiskriminierung schuldig. Insgesamt muss der Neonazi für Geldbuße und Verfahrenskosten 21’500 Franken zahlen. Laut Urteil hat er in der Öffentlichkeit die Taten Hitlers und des Nationalsozialismus gelobt und «die Nachahmung von Verbrechen» angedroht.

Neonazi-Sänger als Haupttäter

Mit deutlich härteren Sanktionen muss Haupttäter Kevin Gutmann rechnen. Auch er gehört zum Kern des militanten Schweizer „Blood & Honour“-Netzwerkes und pflegt enge Verbindungen zu Neonazis im Ausland. Laut der Anklage hat er den Mann geschubst und ihm ins Gesicht gespuckt. Die Staatsanwältin fordert eine bedingte Freiheitsstrafe von sieben bis acht Monaten. Wegen früherer Bewährungsstrafen drohen dem Amok-Frontmann insgesamt zweieinhalb Jahre Gefängnis.

„Amok“-Sänger Kevin Gutmann (Mitte) 2017 beim „Eichsfeldtag“ in Leinefelde © Kai Budler

Täter auch in Deutschland aktiv

Beide Täter sind weiterhin in der rechtsextremen Szene aktiv. Erst im vergangenen Mai trat Kevin Gutmann mit seiner Band beim «Eichsfeldtag» der NPD in Leinefelde (Thüringen) auf. Unter den Konzertbesuchern war auch sein Polterabend-Kamerad Peter S. Besonders die Band „Amok“ ist in Deutschland nicht unbekannt. Vor allem im Kontext von Morddrohungen gegen eine LINKE-Landtagsabgeordnete geriet die Band auch hier zu Lande in den Fokus. Offenbar Schweizer Neonazis veröffentlichten unter dem Bandnamen „Erschiessungskommando“ 2016 einen Mordaufruf gegen die Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss und ihren Vater, den gegen Neonazis engagierten Pfarrer Lothar König aus Jena. Rechtsextremismus-Experten aus der Schweiz vermuten hinter dem Projekt auch eine Kooperation von Teilen der Band „Amok“. Und auch für die kommende Neonazi-Konzert-Saison wird Gutmann nach Deutschland reisen. Für April 2018 kündigt NPD-Bundesvize Thorsten Heise ein zweitägiges Festival in „Mitteldeutschland“ an. In der aktuellen Ankündigung heißt es: „Kevin von Amok beglückt uns mit seinem Balladenprogramm“.