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Spaziergänge fürs Vaterland

 

Im Kampf gegen die Bedeutungslosigkeit gibt sich die NPD als Kümmerer. Mit einer Art Bürgerwehr streifen Aktivisten durch die Stadt. Die Aktionen sorgen für Befremden.

Von Sebastian Schiller

Aktivisten der NPD streifen durch Cottbus (Symbolfoto) © Fabian Bimmer/dpa

Wenn es in Cottbus dunkel wird, dann ziehen sie los: junge Männer, manche in roten oder schwarzen T-Shirts mit dem Buchstaben S auf dem Rücken – dem Logo der NPD-Aktion Schafft Schutzzonen. Verwackelte Fotos dieser Nachtwanderungen landen auf der Facebook-Seite der Partei, die damit wirbt, sie wolle in der brandenburgischen Stadt „nach dem Rechten sehen“.

Seit Juni sind die Patrouillen nach Parteiangaben unterwegs. Das Projekt sei „aus der Not heraus geboren worden“, teilt der NPD-Kreisvorsitzende Benjamin Mertsch auf Nachfrage mit, da „immer mehr Deutsche Opfer von Gewalt durch angeblich selbst Schutzsuchende“ würden. In Cottbus streifen die Gruppen mit bis zu 20 Mann durch die Stadtteile mit dem höchsten Ausländeranteil.

Mittlerweile sind die Schutzzonen-Streifen in mehreren deutschen Städten unterwegs. Mit ehrlicher Besorgnis um die Sicherheit der Bürger dürften sie aber wenig zu tun haben: „Insgesamt betrachtet handelt es sich bei der NPD-Aktion ‚Schafft Schutzzonen‘ größtenteils um eine rassistisch motivierte Internetkampagne, mit der die Partei ihren geringen Wirkungsgrad überspielen will“, teilt der brandenburgische Verfassungsschutz mit.

„Kurzfristige PR-Aktionen“

Denn tatsächlich sind die angeblich schutzbedürftigen Städte sicher wie seit Langem nicht. Im Jahr 2017 gab es in Cottbus so wenige Straftaten wie seit fast zehn Jahren nicht mehr. Seit dem Sommer des letzten Jahres patrouillieren rund um die Uhr Polizisten durch die Innenstadt, im Herbst verstärkt durch Mitarbeiter des Ordnungsamtes.

Für die NPD angeblich nicht genug: „Unsere Aktivisten haben ein wachsames Auge auf sämtliche Gefahrensituationen wie zum Beispiel gewaltsame Übergriffe“, erklärt Mertsch. Doch ist es fraglich, ob die selbst ernannten Beschützer tatsächlich regelmäßig unterwegs sind. Es sei „schwierig zu beurteilen, ob es sich tatsächlich um Streifen im Sinne des Wortes oder aber um eher kurzfristige PR-Aktionen“ handle, heißt es vom Verfassungsschutz.

In einem Facebook-Post berichtet die Partei von einem der Rundgänge © Screenshot: Störungsmelder

Cottbus stand Anfang des Jahres im Fokus der Öffentlichkeit, nachdem es mehrere Zusammenstöße zwischen gewaltbereiten Menschen mit und ohne Migrationshintergrund gab. Im Februar hatten Demonstrationen des fremdenfeindlichen Bündnisses rund um den Verein Zukunft Heimat aus Golßen mehrfach bis zu 3.000 Menschen angezogen.

Aufmerksamkeit um jeden Preis

„Die NPD versucht ein Stück vom Kuchen abzubekommen“, schätzt Daniel Krüger vom Mobilen Beratungsteam, das Vereine oder Gemeinden bei Fragen zum Thema Rechtsextremismus berät. „Es geht darum, kleine Aktionen durchzuführen, die Aufmerksamkeit erregen. Die NPD ist von der Medienöffentlichkeit weitestgehend ausgeschlossen.“

Neu ist die Idee nicht: Es erinnert an die Wuppertaler „Scharia Police“, bei der mit Warnwesten bekleidete Islamisten im September 2014 durch die Innenstadt zogen, um junge Muslime vom Besuch von Spielhallen oder Bordellen und vom Trinken abzuhalten. 2016 nahmen zudem Aktivisten der Partei Die Rechte in Dortmund als „Stadtschutz“ auf einem Autobahnparkplatz insbesondere Homosexuelle ins Visier.

Die NPD hat ihre Aktion zum Geschäfts- und Exportmodell gemacht. In einem Internetshop können Bürgerwehr-Mitläufer T-Shirts, Warnwesten und Pfefferspray bestellen. In Brandenburg sind ihre Truppen laut Verfassungsschutz auch in der Grenzstadt Guben sowie in Bernau bei Berlin unterwegs gewesen. Zudem gingen Aktivisten der Kleinstpartei Der Dritte Weg in Prenzlau und Angermünde nach eigenen Angaben auf „Streife“. In Berlin sind im Juli Videos aufgetaucht, die Männer mit Westen der Aktion in U- und S-Bahnen zeigen – ob sie tatsächlich patrouillierten, ist unklar.

„An den Haaren herbeigezogen“

In Cottbus wurden die Streifen tatsächlich gesichtet. Hier ringt die NPD auch mit anderen Mitteln um Aufmerksamkeit. Ronny Zasowk, Cottbuser Stadtverordneter und Mitglied des Bundesvorstands der NPD, wandte sich Anfang August mit einem Brief an die örtliche Tafel, die Lebensmittel an Bedürftige ausgibt. Darin bot er eine „Sicherheitspartnerschaft“ an. „In zahlreichen Städten kommt es im Umfeld der Tafeln immer öfter zu Konflikten“, heißt es in dem Schreiben, das Zasowk online veröffentlichte. Wie genau diese Partnerschaft aussehen soll, lässt er aber offen.

„Ich war total überrascht“, kommentiert der Leiter der Cottbuser Tafel, Kai Noack, das Angebot. „Das Kuriose war, es gab nichts. Keine Probleme mit irgendjemandem. Also vollkommen an den Haaren herbeigezogen.“ Anders als in Essen, wo es nach Angaben des dortigen Leiters immer wieder zu Vorfällen gekommen sein soll. Die Tafel verhängte deshalb einen vorübergehenden Aufnahmestopp für Ausländer und geriet bundesweit in die Kritik.

Um Probleme, wie sie in Essen aufgetreten sind, zu vermeiden, hat die Tafel in Cottbus frühzeitig am Vergabesystem geschraubt. Es wurden verschiedene Öffnungszeiten eingeführt, etwa für Rentner oder Menschen in Arbeitsmaßnahmen. Für Flüchtlinge gibt es keine gesonderten Zeiten.

Warum gerade die Partei jetzt glaubt, die Tafel unterstützen zu müssen, kann sich Noack nicht erklären. Auf der Internetseite der NPD Brandenburg bedauert Funktionär Zasowk, dass das „nett gemeinte Angebot“ zurückgewiesen wurde.