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Bier weg, Bands weg, Stimmung weg

 

Im thüringischen Themar wurden Tausende Neonazis zu einem großen Rechtsrock-Festival erwartet. Polizei und Bürger verdarben den braunen Besuchern ihren Spaß.

Von Henrik Merker

Rechtsrock-Festival: Neonazis verdecken bei der Anreise ihre Gesichter. © Henrik Merker
Neonazis verdecken bei der Anreise ihre Gesichter. © Henrik Merker

Für das Jahr 2019 hatte sich die rechtsextreme Szene eigentlich viel vorgenommen: Tausende Neonazis waren Ende Juni zum Rechtsrockfestival im sächsischen Ostritz erwartet worden – tatsächlich wurden es rund 700. An diesem Wochenende stieg ein ähnliches Event im thüringischen Themar, die Tage der nationalen Bewegung. Der Erfolg: ähnlich bescheiden.

2017 waren hier noch 6.000 Rechtsextreme aus ganz Europa angereist und hatten Adolf Hitler bejubelt. Es war eines der größten Events Deutschlands. In diesem Jahr herrschte vor allem Mangel: an Platz, an Besuchern, an Bier.

Die Polizei sperrte die Neonazis auf dem Veranstaltungsgelände, einer Wiese, regelrecht ein. Bauzäune in Doppelreihe standen auf der Straße, zwei Wasserwerfer und ein Räumpanzer direkt dahinter. Die Besucher im Inneren durften am Freitag nur Leichtbier und Radler trinken – am Samstag folgte ein vollständiges Alkoholverbot.

Niederschmetternde Stimmung

Andere waren zwölf Kilometer durch die pralle Sonne gelaufen, um teilzunehmen. Sie hatten an einem nahen Stausee geparkt, weil die Polizei sämtliche Straßen nach Themar abgeriegelt hatte. Nur manche wurden von Kameraden in das zwei Kilometer entfernte Kloster Veßra mitgenommen. Dort empfing der Neonazi Tommy Frenck die Gleichgesinnten in seinem Gasthof Goldener Löwe und schenkte Normalbier aus.

Rechtsrock-Festival: Tommy Frencks Gasthof in Kloster Veßra am Freitag © Henrik Merker
Tommy Frencks Gasthof in Kloster Veßra am Freitag © Henrik Merker

Manche der Gäste waren extra aus Schweden, Russland oder Polen angereist. Veranstalter Sebastian Schmidtke begrüßte persönlich eine Delegation der italienischen Neofaschisten Veneto Fronte Skinheads. Die Gruppe ist eng mit der deutschen Szene vernetzt. Zum Hitler-Geburtstag im April waren deutsche Neonazis ins norditalienische Cerea zu einem Konzert gereist.

Auf dem Gelände wurden die Besucher allerdings von einer niederschmetternden Stimmung empfangen. Bei den Auftritten stand kaum ein Rechtsextremer vor der Bühne, die meisten saßen auf Bierbänken und starrten in ihr Radler. Andere begannen vorsichtige Gespräche mit Journalisten oder pöbelten drauf los.

Auftrittsverbot und Heiserkeit

Am Abend dann die Hiobsbotschaft für Veranstalter Schmidtke: Die Band Sturmwehr bekam nach wenigen Liedern ein Auftrittsverbot für das gesamte Wochenende. Die zwei Musiker der Band wurden von der Bühne geholt. Aufmerksame Polizisten hatten erkannt, dass die Band offenbar ein indiziertes Lied spielte. Ein Beamter sagte, der Text stamme von der Hitlerjugend – und die ist, samt ihrer Kennzeichen, verboten. Schmidtke schickte die Band vom Gelände.

Die Band Oidoxie spielte dafür am Freitag bereits fünf Lieder – für den Sänger offenbar zu viel: Am Samstag war seine Stimme weg, dabei hätte die Truppe als einer der Headliner für Begeisterung sorgen sollen. Selbst die Band beschwerte sich, dass von den rund 700 Neonazis im Veranstaltungszelt kaum einer in Stimmung kam.

Rechtsrock-Festival: Marko Gottschalk, Sänger der Band Oidoxie © Henrik Merker
Marko Gottschalk, Sänger der Band Oidoxie © Henrik Merker

Am Samstag konfiszierten Polizisten zudem die letzten Bierreserven in Themar. Mehrere Hundert Flaschen Radler und einige Bierfässer wurden auf einen Polizei-Laster umgeladen. Kurz danach wurde auch noch der Auftritt der Band Unbeliebte Jungs abgebrochen. Die Versammlungsbehörde wollte vorab wissen, welche Lieder gespielt werden. Die Gruppe hielt sich aber nicht an die eingereichte Liste.

Die Polizei ließ sich nicht narren

Neben den Bands bekamen auch einige der Teilnehmer Ärger mit der Polizei. Insgesamt wurden 45 Anzeigen aufgenommen, in den meisten Fällen wegen verfassungsfeindlicher Symbole. Ein Beamter entdeckte einen versteckten SS-Spruch auf der Haut unter einem T-Shirt-Ärmel – sofort schrieb er die Personalien des Mannes auf.

Tagsüber wurden in Tommy Frencks Gasthof in Kloster Veßra die Bierreserven von der Polizei versiegelt. Vorher hatte er noch angekündigt, 500 Kästen stünden bei ihm für die bierdurstigen Besucher von Themar bereit. Am Samstag gab es für die meisten Neonazis keinen einzigen Tropfen Alkohol.

Die Thüringische Polizei ließ sich von den Versteckspielen der rechtsextremen Szene nicht an der Nase herumführen. Doch auch die Bürger vor Ort waren nicht bereit, sich das Treiben ohne Widerstand gefallen zu lassen. Nur vier Meter neben dem Neonazi-Areal stieg das sogenannte Demokratiefest mit 750 Gästen. Auf der Bühne sprach unter anderem Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee. ZEIT ONLINE sagte er, er wolle „mit allen rechtsstaatlichen und politischen Mitteln gegen die vorgehen, die die Demokratie abschaffen wollen“.

Die Anwohner der Wiese hoffen derweil, dass es die letzte braune Versammlung in Themar war. Für die Rechtsextremen war das Festival dagegen ein Reinfall – bei Weitem nicht der erste.