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Wie Jugendtreffs von Identitären unterwandert werden

 

Eine Aktivistin der Identitären Bewegung war monatelang in einem Jugendtreff in Hannover beschäftigt – bis zur Kündigung. Immer wieder versuchen Rechte, in Kitas und Jugendeinrichtungen Fuß zu fassen.

Von Bela Mittelstädt

Wenn Kinder- und Jugendeinrichtungen Rechtsextreme in den eigenen Reihen identifizieren, stellt sich die Frage nach dem richtigen Umgang (Symbolfoto). © dpa/Christian Charisius

Das Instagram-Profil von Kim B. aus Hannover wirkt auf den ersten Blick harmlos. Bilder mit Freundinnen und Cocktails, im Outfit für eine Hochzeit und ein Urlaubsbild von einem Van am See. Unter dem Urlaubsfoto hat ein Freund kommentiert. Sein Profil ist eindeutiger: Ein Post dort ist mit den Hashtags #BacktdieGrenzendicht und #IBster unterschrieben, zu sehen sind Plätzchen in Form des altgriechischen Buchstaben Lambda. Das Erkennungszeichen der Identitären Bewegung (IB), einer rechtsextremen Aktivistengruppe.

Auch Kim B., deren Profil mittlerweile nicht mehr öffentlich ist, ist offenkundig Anhängerin der Identitären. Ihre blonden Haare sind, so die Vermutung, seit mindestens Februar 2018 Motiv für den Twitter-Auftritt der Bewegung in Niedersachsen. Demnach war sie mehrmals bei sogenannten Stammtischen in Hannover und bei Plakataktionen anwesend. Ein weiterer Post dort zeigt sie, wie sie auf einem Soldatenfriedhof in Lettland Blumen an den Gräbern deutscher Soldaten niederlegt.

B. ist angehende Sozialarbeiterin – und war bis Ende Januar bei einem Jugendtreff in Hannover angestellt. Dort wurde ihr gekündigt. Ihr Fall ist einer vor mehreren, in denen Rechtsextreme mit Kindern gearbeitet haben. Oft ziehen Arbeitgeber in solchen Situationen die Reißleine – jedoch nicht immer.

Nicht immer müssen Rechtsextreme gehen

Träger des Jugendtreffs Anderten, B.s früherem Arbeitsplatz, ist der linke Kinder- und Jugendverband Die Falken. Mit ihrer Gesinnung passt das nicht zusammen. Auf Nachfrage bestätigt ein Vorstandsmitglied der Falken, dass sie für den Verband gearbeitet hat. „Grundsätzlich halten wir die Mitgliedschaft in einer rechten Organisation und die Arbeit in unseren Einrichtungen für unvereinbar.“ Weitere Angaben könne man aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht machen.

Der Jugendtreff ist eine Einrichtung der offenen Jugendarbeit. Hier sollen junge Menschen aus dem Stadtteil einen Treff- und Anlaufpunkt für außerschulische Aktivitäten finden. B. hatte dort in einem Zeitraum von drei Jahren mehrmals als Honorarkraft gearbeitet, zuletzt war sie fest angestellt. Über Monate hatte sie die Möglichkeit, Beziehungen zu den jungen Gästen aufzubauen und womöglich auch anderen Rechtsextremen Zugang zu verschaffen.

Auch andere Einrichtungen werden von rechtsradikalen Aktivisten unterwandert. Ebenfalls in Hannover wurde am 30. Januar ein Mitarbeiter aus einer städtischen Kita abgezogen. Er soll mit einer kürzlich enttarnten rechtsextremen Gruppe namens Calenberger Bande antisemitische Straftaten begangen haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. In einem anderen Fall erkannten Beobachter auf dem extrem rechten Kampfsportturnier Tiwaz – Kampf der freien Männer zwei Personen in einem Auto des Haus Wildfang. Der Träger betreut bundesweit Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen und bietet Segeltouren an. Trotz des Besuchs der Männer konnte das niedersächsische Landesjugendamt keine „Kinder- und Jugendbetreuung ungeeignete innere Einstellung des Mitarbeiters“ erkennen und sah von einem Betätigungsverbot ab.

Oft wird das Problem nur weggeschoben

Viele Einrichtungen tun sich schwer, klare Kante gegen Rechtsextreme einzunehmen, beobachtet Judith Rahner von der Fachstelle Gender und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung: „Das Thema wird leider noch viel zu wenig beachtet. Häufig wird eine Kündigung mit der Begründung abgelehnt, dass die Einstellung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters nur im Privaten eine Rolle spiele.“ In anderen Fällen sei es lediglich zur Versetzung in eine andere Einrichtung oder ein anderes Bundesland gekommen. „Das sorgt nur für eine Verlagerung des Problems und dass die Person im schlimmsten Fall vom Radar der Behörden verschwindet.“ Dabei gebe es eine Handhabe in den Arbeitsverträgen: Mit sogenannten Ausschlussklauseln lasse sich eine Kündigung aufgrund rassistischer oder rechtsradikaler Einstellungen ermöglichen.

Bei Kim B. war eine Trennung von der Mitarbeiterin leicht. Nicht immer ist eine Kündigung rechtlich so einfach möglich. Der Trägerverband gibt an, er habe eine Lehre aus dem Fall gezogen: „Durch Ausschlussklauseln in unseren Arbeitsverträgen versuchen wir Unterwanderungsversuche durch rechtsextreme Gruppen wie beispielsweise der Identitären Bewegung zu verhindern. Wir werden zukünftig weiterhin daran arbeiten, uns gegenseitig darin zu unterstützen, um Unterwanderungsversuche frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.“

Eine Demonstration der Identitären 2017 in Berlin © dpa/Paul Zinken

Klima der Ausgrenzung droht

Das Beispiel zeigt, wie lange eine Aktivistin der bekannten Identitären Bewegung unbemerkt in einem Jugendtreff arbeiten konnte. Judith Rahner sieht vielfältige Gefahren, die von Rechtsextremen in solchen Einrichtungen ausgehen können. „Wenn rassistische oder andere diskriminierende Bemerkungen gemacht werden, kann ein Klima der Ausgrenzung entstehen. Sodass sich bestimmte Jugendliche nicht mehr willkommen fühlen oder sogar bedroht werden.“ Nicht nur die Atmosphäre könne durch Rechtsradikale vergiftet werden: „Wir wissen von anderen Fällen, bei denen gezielt zu Veranstaltungen aufgerufen wurde und Einrichtungen für die Verbreitung rechtsradikaler Ideologie genutzt wurden.“

Eine systematische Strategie von Organisationen wie der IB in Jugendtreffs und Kitas lasse sich zum Glück noch nicht erkennen. Dennoch sollen in der Vergangenheit immer wieder rechte Gruppen aufgerufen haben, sich in sozialpädagogischen Einrichtungen zu engagieren und entsprechende Ausbildungen zu absolvieren.

Die Amadeu Antonio Stiftung rät Einrichtungen und Trägern zu Aufmerksamkeit und konsequentem Gegensteuern. „Gerade der Kontakt zu verletzlichen Jugendlichen in schwierigen Lebenssituationen ist für Rechtsextreme ein attraktives Betätigungsfeld.“ Die Entscheidungsträger dürften sich nicht wegducken, denn sie hätten eine Verantwortung – für die Schützlinge, die bei ihnen Halt und Orientierung suchen.