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AfD will Rechtsextreme ins Rathaus holen

 

Im sachsen-anhaltischen Halle verklagt die AfD den Stadtrat. Die Partei wollte vier sachkundige Bürger mit Kontakten zu Rechtsextremen im Parlament unterbringen.

Von Henrik Merker

Das Rathaus von Halle © dpa/Hendrik Schmidt

Die Verbindungen der AfD ins Neonazimilieu sind kein Geheimnis. Abgeordnete aus ihren Reihen treffen sich mit Rechtsextremen, Fraktionsmitarbeiter pflegen enge Kontakte in die Szene. Auf kommunaler Ebene hat die Partei einen weiteren Weg gefunden, Anhänger mit rechten Beziehungen nahe ans Zentrum der Macht zu bringen: Die AfD nominiert sie als sogenannte sachkundige Einwohner.

Diese Bürger sitzen in den Ausschüssen des Kommunalparlaments. Abstimmen dürfen sie nicht, aber die gewählten Mandatsträger beraten. Jede Fraktion kann Einwohner nominieren. Auf diese Weise wollte die AfD Ende des vergangenen Jahres im sächsischen Radeberg den Pegida-Versammlungsleiter Wolfgang Taufkirch ins Rathaus bringen. Sie scheiterte am Widerstand des Stadtrats, der das letzte Wort hat.

Nicht auf dem Boden des Grundgesetzes?

Im sachsen-anhaltischen Halle an der Saale streitet die AfD noch mit dem Rat. Sie hatte vier Kandidaten mit Verbindungen zur Identitären Bewegung und anderen Rechtsextremen aufgestellt. Weil sich der Rat auch dort wehrt, zieht die Fraktion vor Gericht.

Der Konflikt schwelt, seit die AfD vor einem halben Jahr ihre Liste mit sieben Nominierungen vorgelegt hat. Zunächst drei Namen darauf ließen die Abgeordneten der anderen Fraktionen aufhorchen: Sie seien „aus dem Umfeld der rechtsextremen Identitären Bewegung und der Montagsdemo Halle bekannt“, sagt der Vorsitzende der SPD-Fraktion Eric Eigendorf. Für ihn sind die Vorschläge daher nicht tragbar: „Von uns als demokratischen Abgeordneten kann es nicht erwartet werden, dass wir Leute wählen, die unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung entgegenstehen.”

Die AfD zog vor Gericht

Mit der Ansicht steht die SPD nicht allein. Der Stadtrat kündigte bereits vor der Abstimmung an, die Vorschlagsliste der AfD abzulehnen. Die Folge war eine ausführliche Diskussion. Der damalige AfD-Stadtrat Donatus Schmidt entgegnete: „Alle vorgeschlagenen Personen stehen mit beiden Beinen auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.“

Auch ein Kompromissvorschlag führte nicht zur Einigung: Die anderen Fraktionen boten der AfD an, einzeln über die Nominierungen abzustimmen und dabei die belasteten Kandidaten abzulehnen. Das genügte der Partei nicht. Sie zog ihren Antrag zurück, entschied sich stattdessen für den Weg vor das Verwaltungsgericht. Dort läuft seit einem halben Jahr das Verfahren. Der Rat hat eine neun Seiten lange Klageerwiderung vorgelegt.

In dieser lässt sich detailliert über die Verbindungen der Kandidaten in die rechte Szene nachlesen. Etwa über Jonas Jung, der regelmäßig an Demonstrationen des Rechtsextremisten Sven Liebich teilgenommen habe. Liebich gehörte zum verbotenen Neonazinetzwerk Blood and Honour. Jung war im Juli 2019 außerdem Redner auf einer seiner Demonstrationen. ZEIT ONLINE liegt ein entsprechendes Video vor.

Abgeordnete verwundert über Vorschläge

Die Kandidatin Hannah-Tabea Rößler steht in den Gründungsdokumenten des Vereins Flamberg e.V., der ein Hausprojekt der Identitären Bewegung in Halle betrieb. Die Jurastudentin sollte den Ausschuss für Planungsangelegenheiten beraten.

Dass eine angehende Juristin in den Planungsausschuss gewählt werden soll, hält SPD-Mann Eigendorf zwar nicht für ungewöhnlich, schließlich könnten sich die Ausschussmitglieder in die Themen einarbeiten. Meist jedoch werde darauf geachtet, dass die Sachkundigen über Expertise zum Thema verfügen. „Im Stadtplanungsausschuss haben wir beispielsweise einen Stadtlandschaftsarchitekten oder im Sportausschuss jemanden, der in der halleschen Sportszene verwurzelt ist.“ Allerdings gehe es dem Stadtrat bei der Ablehnung um mehr als die bloße Arbeit im Gremium: „Das war eine grundsätzliche Überlegung. Akzeptiere ich Leute, die die demokratischen Grundwerte ablehnen?”, sagt Eigendorf.

Nach Darstellung des Stadtrats zog die AfD die Kandidatin aufgrund der Kritik bereits im Dezember zurück. Stattdessen schlug die Fraktion Christopher Lehmann für den Platz im Planungsausschuss vor. Lehmann ist Besitzer im Bundesvorstand der AfD-Jugend Junge Alternative. Er war im September 2017 zusammen mit Identitären auf einer Kundgebung in Halle.

Stadtrat rechnet mit Sieg über AfD

Zudem soll er Mitglied der Burschenschaft Germania Halle sein, die als intellektuelle Schnittstelle zwischen Neonaziszene und der Neuen Rechten gilt. Ebenfalls dort aktiv sein soll der Politikwissenschaftsstudent Thorben Vierkant. Er sollte nach Willen der AfD-Fraktion als sachkundiger Einwohner in den Rechnungsprüfungsausschuss.

Gemeinsam gab das Trio Vierkant, Rößler und Lehmann im Mai 2019 dem Identitären-Magazin Arcadi ein Interview. Sie kandidierten damals auf der Liste der AfD-nahen Hochschulgruppe Campus-Alternative für den Studierendenrat der Universität Halle. Rößler gab ihren Posten auf, nachdem die Verbindungen zu Identitären öffentlich wurden.

Solange der Streit um die Plätze in den Ausschüssen schwelt, ist die AfD weder mit ihren belasteten noch mit ihren anderen Kandidaten dort vertreten. Wer ins Rathaus ziehen darf, entscheiden nun Richter. Im Stadtrat ist die Zuversicht hoch, dass die AfD eine Niederlage erleidet.