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Erst Hetze, dann ein Anschlag

 

Brandenburger Neonazis haben ein Attentat auf eine Moschee geplant. Jetzt schritt die Polizei ein – Jahre nach dem ersten Hinweis auf die Gesinnung der Gruppe.

Von Hardy Krüger

Neonazis in Brandenburg
Waffen, die Ermittler bei Durchsuchungen sichergestellt haben © dpa/Jens Kalaene

Eine Hakenkreuz-Armbinde, scharfe Munition, Replikate von Weltkriegswaffen, ein Maschinengewehr und mehrere Handgranaten. Darunter ein rotes Stoffbanner mit der Aufschrift „Freie Kräfte Prignitz“: Anfang Juli präsentierte die Brandenburger Polizei ein plakatives Motiv vor Journalisten, einen Ermittlungserfolg gegen ein militantes Neonazinetzwerk. Die Gegenstände hatten Beamte bei Hausdurchsuchungen sichergestellt.

Sie hatten sechs Objekte in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern durchsucht. Ermittlungen laufen gegen sieben Personen zwischen 32 und 40 Jahren. Die Freien Kräfte Prignitz sollen einen Anschlag auf eine Moschee in Wittenberge geplant haben, der größten Stadt im brandenburgischen Landstrich Prignitz. Demnach wollten die Rechtsextremisten das Gotteshaus mit Molotowcocktails angreifen.

Rechte Botschaften in der Öffentlichkeit

Der Name der Gruppe ist in Brandenburg durchaus bekannt. Schon seit Jahren hatten ihre Anhänger in aller Öffentlichkeit Belege für ihre Einstellung geliefert – bis auf ihre Hetze nun Taten folgen sollten. Bereits ab 2014 marschierten sie bei flüchtlingsfeindlichen Aufzügen mit und zeigten ein schwarzes Stoffbanner mit der Aufschrift „Massenzuwanderung stoppen“. Unterschrieben war das Spruchband mit dem Gruppennamen. Zusätzlich war eine Moschee abgebildet, der ein symbolisches Stoppschild entgegengehalten wurde.

Neonazis in Brandenburg
Anhänger der Freien Kräfte Prignitz demonstrieren 2015 im brandenburgischen Wittstock. © Hardy Krüger

Im Jahr 2016 bildete ihre Antiasylkampagne laut dem Brandenburger Verfassungsschutz den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten. Allein in der kleinen Prignitzer Gemeinde Plattenburg marschierten die Rechtsextremisten dreimal auf. Laut Verfassungsschutz versuchte die Gruppe dort, sexuelle Übergriffe eines jugendlichen Afghanen auf Kinder für ihre Zwecke auszuschlachten.

Systematische Hetze

Diese Hetze hatte System. Die Freien Kräfte Prignitz sind eine explizit neonationalsozialistische Struktur, der Großteil ihrer Aktivisten ist den Verfassungsschützern zufolge seit Jahren tief in der rechtsextremen Szene verwurzelt. Aktuell verfügt die Gruppe über etwa zwölf aktive Mitglieder. Meist treten sie im Landkreis Prignitz auf, dort vor allem in Wittenberge und der Umgebung. Über die Kreisgrenzen hinaus pflegen sie enge Verbindungen zu ähnlich gesinnten Organisationen aus mehreren Bundesländern.

Ihre erste Reise als Gruppe führte die Freien Kräfte Prignitz im Januar 2014 zu einem sogenannten Trauermarsch in die sachsen-anhaltinische Landeshauptstadt Magdeburg, bei dem deutsche Opfermythen über die Bombardements des Zweiten Weltkriegs aufgewärmt wurden. Die Prignitzer zeigten ein Banner mit der Losung „Im Gedenken an die Bombenholocaust-Opfer – kein Vergeben, kein Vergessen“. Ein Vierteljahr später war die Organisation Mitveranstalter eines Aufmarsches in Wittenberge. Das Motto der Versammlung lautete: „Sieh nicht zu, wenn deine Stadt stirbt – wehr dich“ – eine Anlehnung an den Neonazimythos vom Volkstod, nachdem das deutsche Volk vom Aussterben bedroht ist.

Frühwarnsystem gegen die Polizei

2018 beteiligten sich die Freien Kräfte an einer Versammlung der NPD in Neuruppin. Zudem engagierten sie sich in der konspirativ agierenden neonazistischen Konzertszene. Im September 2019 organisierten sie eine geheime Jahresfeier, bei der drei bekannte Szene-Liedermacher aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen auftraten. Mutmaßlicher Hauptgrund für das klandestine Vorgehen: Mindestens einer der Nazibarden hat indiziertes Liedgut im Repertoire. Die Polizei erfuhr erst hinterher von der Veranstaltung.

Das scheint kein Zufall zu sein. Als die Ermittler Laptops, Mobiltelefone und andere Speichermedien von den Hausdurchsuchungen auswerteten, stießen sie auf Hinweise, nach denen Gruppenmitglieder die Polizei ausspioniert hatten. So hatten sie etwa Tarnkennzeichen von Zivilfahrzeugen gesammelt. Zudem fanden sich Informationen zu familiären Verhältnissen und die Dienststellenzugehörigkeit von Beamten.

Ziel war den Ermittlern zufolge, frühzeitig polizeiliche Maßnahmen zu erkennen. Ein System, das bislang anscheinend funktioniert hatte – bis die Polizei den Anschlag auf die Moschee verhinderte.