Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Die AfD sucht Influencer

 

In der Corona-Diskussion macht die AfD nur noch selten von sich reden. Mit einer Medienkonferenz will sie Onlineaktivisten antreiben, ihre Thesen zu verlautbaren.

Von Henrik Merker

Teilnehmende der AfD-Konferenz winken dem Reporter zu. © Henrik Merker

Am Samstagnachmittag gehen am Marie-Elisabeth-Lüders-Haus die Rollläden herunter. In einem Saal des Bundestagsgebäudes treffen sich AfD-Funktionäre zu einer Tagung, der Konferenz der Freien Medien. Öffentlichkeit, so scheint es, ist gleichsam nicht erwünscht: Als die Teilnehmer bemerken, dass sie fotografiert werden, sorgen sie für Abschattung.

Ein Paradox. Denn eigentlich geht es auf der Veranstaltung genau darum: Öffentlichkeit schaffen – für die AfD. Bei Themen wie Corona-Krise und Klimawandel schlagen derzeit Verschwörungstheoretiker die lautesten Töne im rechtskonservativen Spektrum an. Für eine Partei, die bürgerlich sein will, bleiben da nur wenig Möglichkeiten, in der Diskussion mitzumischen.

Haus- und Hofpresse der Partei

Richten sollen das Problem nun Aktivisten, die sich in den Dienst der Partei stellen, die sogenannten Freien Medien. Diese politischen Influencer tragen die Themen der AfD in Kanäle wie YouTube und Twitter. Sie legen Wert darauf, Reden und Veranstaltungen unkommentiert ins Netz zu stellen. Manche von ihnen bezeichnen sich als Journalisten und hängen sich Presseausweise um. Journalistische Medien analysieren jedoch, kommentieren und kritisieren. Sie verlautbaren nicht.

Auf der zum zweiten Mal abgehaltenen Konferenz im Bundestag sprach auch der ehemalige Spiegel– und Welt-Autor Matthias Matussek, einer der wenigen mit echter Karriere in den Medien. Die war versiegt, als der 66-Jährige Äußerungen verbreitete, die als homophob und rassistisch verstanden wurden.

Hatte die AfD im vergangenen Jahr noch versucht, Szenenewcomer an die Partei heranzuführen und mit altgedienten Aktivisten zu vernetzen, lag diesmal der Fokus auf Akteuren, die bereits der Partei zugehörig sind. Einige dieser rechten Medienaktivisten sind Mandatsträger, andere Parteimitglied oder in der Parteijugend. Die Haus- und Hofpresse der AfD.

Misstrauen gegen neue Influencer

Zu den neuen Hoffnungsträgern gehören Samira K. und Naomi S. Beide sind keine Szenegrößen und selbst auf Social-Media-Plattformen kaum bekannt. Das bisherige CDU-Mitglied K. ist vor allem auf dem Kurznachrichtendienst Twitter aktiv, beendete erst kürzlich ein Praktikum beim AfD-Abgeordneten Sebastian Münzenmaier, der von Beobachtern dem rechtsextremen Flügel zugerechnet wird. Zuletzt kündigte sie an, sie wolle der AfD beitreten.

Doch K. hat keinen einfachen Stand. Mehrere vornehmlich männliche Konferenzgäste sehen in ihr ein Risiko. Die, mit denen ZEIT ONLINE im Nachgang der Konferenz sprach, fühlen sich an die Szeneaussteigerin Lisa Licentia erinnert. Auch sie war ursprünglich für die CDU aktiv und genoss einen kometenhaften Aufstieg in der rechten Medienblase. Später sagte sie sich von der AfD los und führte mit einem Pressesprecher der Bundestagsfraktion ein Gespräch. Darin äußerte der sich extrem rassistisch. Eine Fernsehdokumentation zeigte dies, ZEIT ONLINE berichtete darüber.

Die zweite Aktivistin, Naomi S., ist YouTuberin. S. wurde in rechten Medien zwischenzeitlich als Gegenmodell zur Klimaaktivistin Greta Thunberg gehandelt. Sie streitet zentrale Aspekte des Klimawandels ab und spricht sich in mehreren Videos gegen Ergebnisse der Forschung aus. Außerdem behauptete sie, dass YouTube Videos mit rechtsextremen Inhalten löscht, komme der Bücherverbrennung gleich.

Im Vorjahr war die Konferenz gemeinsam von mehreren AfD-Bundestagsabgeordneten und einer Organisation namens Vereinigung der freien Medien organisiert worden. Deren Website ist seit Jahresbeginn nicht mehr erreichbar. Für die Gruppierung war auch der Blogger und Rechtspopulist David Berger aktiv. Mittlerweile ist Berger in den Hintergrund gerückt. Akteure der Neuen Rechten hatten ihn, nicht zuletzt wegen seiner Homosexualität, aus der kleinen Szene rechter Medienaktivisten gedrängt. Von den früheren Verantwortlichen der Vereinigung rechter Medienaktivisten nahm dieses Jahr nur noch der wegen Volksverhetzung verurteilte Michael Stürzenberger teil.

Wenn Aktivisten in Ungnade fallen

Der Schwund früherer Fürsprecher mag begründet sein im Umgang mit Akteuren, die öffentlich eher den Corona-Leugnern als der AfD zugerechnet werden. Wie AfD-Kommunalpolitiker Stefan Bauer aus Rosenheim. Er hatte an mehreren Corona-Demonstrationen teilgenommen und sich mit seinem YouTuber-Team Die Aufklärer schnell einen Namen unter Corona-Leugnern und Reichsbürgern gemacht.

Zuletzt wurde er auf einer Demonstration von Polizisten festgesetzt, weil er eine Maßnahme behindert haben soll. Wochen zuvor hatte er bereits einen Kameramann des Jüdischen Forums auf einer Reichsbürger-Kundgebung massiv bedrängt. Auch der bundeseinheitliche Presseausweis wurde dem AfD-Politiker mittlerweile entzogen.

In der Partei ist damit offenbar eine Grenze überschritten. An der Konferenz nahm Bauer zwar teil, stand jedoch häufig allein herum. Ein gut in die rechte Medienszene vernetzter Bundestagsabgeordneter behauptete sogar auf Nachfrage, er kenne den Mann nicht. Immerhin hatte Bauer der AfD zuletzt vor allem Negativschlagzeilen geliefert – das Letzte, was die Partei in dieser Lage brauchen kann.

Anmerkung: Der nach eigenem Bekunden ursprünglich eingeladene Blogger Berger behauptet, er sei informiert worden, dass Weidel ein „absolutes Veto“ gegen seine Teilnahme eingelegt habe. Der Grund sei seine Kritik am Auftritt Weidels beim extrem rechten Institut für Staatspolitik. Weidel, damit konfrontiert, bestreitet das und sagt: Der Fraktionsvorstand habe die Teilnahme mehrerer, „auf dem Entwurf (!) einer Einladungsliste“ vermerkter Personen abgelehnt.

Korrektur: In einer früheren Version hieß es, die Bloggerin Lisa Licentia habe den Pressesprecher zu seinen Äußerungen „verleitet“. Das war unrichtig. Wir haben das korrigiert.