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Gold für Inklusion

 

Behinderte Leichtathleten können künftig an Wettkämpfen von nicht behinderten Sportlern teilnehmen. Prima, wurde auch Zeit. Der Deutsche Leichtathletik-Verband hat das jetzt beschlossen, allerdings wird es keine gemeinsame Wertung von behinderten und nicht behinderten Sportlern mehr geben. Auslöser war die Diskussion um den Leichtathleten Markus Rehm, der mit einer Prothese beim Weitsprung bei den Deutschen Meisterschaften startete – und gewann. Der Verband hat jetzt entschieden, Rehm darf seinen Titel behalten, weil es derzeit nicht nachweisbar sei, dass er durch die Prothese einen Vorteil habe. So lange das wissenschaftlich aber nicht geklärt sei, würden behinderte und nicht behinderte Sportler in Deutschland nicht mehr gemeinsam gewertet.

Seit sich Oscar Pistorius einen Platz bei den Olympischen Spielen in London erkämpft hatte und wenige Wochen später bei den Paralympics startete, muss man sich die grundsätzliche Frage stellen, warum der Sport von nicht behinderten Menschen und der Behindertensport so stark von einander getrennt sind. Insofern ist es ein gutes Zeichen, dass der DLV nun einen Schritt hin zu Inklusion macht.

Ich halte das für einen guten Kompromiss, so lange die Wissenschaft nicht mehr Erkenntnisse darüber hat, ob Prothesen beim Laufen oder beim Weitsprung einen Vorteil darstellen. Wenn die Ergebnisse allerdings vorliegen, spricht nichts dagegen, wieder gemeinsam werten zu lassen. Denn ein bisschen schwingt bei der Debatte schon mit, dass man einfach nicht glauben kann, dass jemand mit einer Behinderung die gleichen Leistungen erbringen kann wie jemand ohne Behinderung – ein beliebtes Vorurteil übrigens, nicht nur im Sport.

Zwei Spiele statt Inklusion

Schon bei Olympia in London konnte mir niemand wirklich schlüssig erklären, warum es  Olympische Spiele und Paralympics geben muss:. Warum kann man nicht ein Rollstuhlbaskettballspiel ansetzen, gefolgt von einem Basketballspiel von nicht behinderten Spielern? Warum lässt man nicht nur auf nationaler sondern künftig auch auf internationaler Ebene behinderte und nicht behinderte Leichtathleten miteinander starten, die dann aber getrennt gewertet werden? Das würde es behinderten Sportlern leichter machen, Sponsoren zu finden, denn plötzlich gibt es nur noch „die Spiele“ oder „die Weltmeisterschaft“ und keine getrennten Veranstaltungen mehr.

Bevor ich die Paralympics 2012 in London selbst erlebt hatte, empfand ich sie als eine ziemlich klischeemässige Behindertenveranstaltung. Dann habe ich aber Tage in Stadien und anderen Sportstätten verbracht. Das hat meine Sicht zwar verändert. Aber warum sollen es zwei Spiele sein? Nach ausverkauften Spielstätten in London vor begeistertem Publikum ist klar, dass die Zuschauer bei einem Rollstuhlbasketballspiel genauso mitgehen können, als wenn Leute auf zwei Beinen übers Spielfeld rennen.

Aufmerksamkeitsgewinn oder Verlust?

Oft sind es vor allem die behinderten Sportler, die Angst haben, dass sie untergehen, wenn ihre Wettkämpfe nicht mehr in getrennten Meisterschaften oder bei den Paralympics ausgetragen werden. Sie haben Angst, dass sich niemand mehr für sie interessiert, wenn sie um die Aufmerksamkeit und Popularität mit nicht behinderten Sportlern kämpfen müssen.

Meines Erachtens tun sie das aber jetzt schon und verlieren im Kampf um die Aufmerksamkeit, weil sie mit den getrennten Veranstaltungen schlechtere Chancen haben. Nicht alle Fernsehanstalten räumen den Paralympics die Aufmerksamkeit ein, die sie eigentlich verdient hätten.

Gerade der Sport hat große Möglichkeiten, Vorbild für andere Gesellschaftsbereiche zu sein, wenn es um Inklusion geht. Deshalb: Die Debatte in der Leichtathletik kann nur der Anfang sein. Es ist Zeit, sie auch in anderen Sportarten zu führen und die Paralympics in die Olympischen Spiele zu integrieren.