Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Vom Helfen und Hilfe annehmen

 

„Ich weiß immer nicht, ob ich fragen soll, ob jemand Hilfe braucht“, ist einer der Sätze, die ich ziemlich oft höre, wenn mir andere von ihren Berührungsängsten erzählen, die sie im Umgang mit behinderten Menschen haben.

Einfach fragen

Ich finde, jemanden zu fragen, ob er Hilfe braucht, ist so gut wie nie verkehrt. Ich freue mich eigentlich über jedes Hilfsangebot, lehne die meisten aber ab, schlicht und einfach, weil ich es selber kann, auch wenn es vielleicht etwas länger dauert. Es hängt aber auch von meiner Tagesform ab und ehrlich gesagt auch, wer mir Hilfe anbietet. Sich helfen zu lassen ist nämlich auch Vertrauenssache. Von jemandem, der beispielsweise nicht mehr ganz nüchtern wirkt, werde ich mir sicher nicht eine Stufe hoch helfen lassen.

Was mich allerdings nervt ist, wenn ich drei Mal gefragt werde, ob ich wirklich keine Hilfe benötige, auch wenn ich das Hilfsangebot schon zwei Mal freundlich abgelehnt habe. Es ist nett, Hilfe anzubieten, aber man muss dann auch akzeptieren können, wenn dieses Angebot abgelehnt wird. Und was ich auch nicht mag: Wenn ich die Hilfe von jemandem annehme, dieser dann ein riesiges Trara darum macht, wie hilfebereit er doch sei im Gegensatz zu anderen Leuten. Wer nur hilft, um sich hinterher selber auf die Schulter zu klopfen, kann es auch gleich sein lassen.

Das Kofferproblem

In den vergangenen vier Wochen war ich in Wien. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die immer mit ihrem halben Hausstand verreisen, sondern nehme so wenig wie möglich mit – da ich zumindest geschäftlich fast immer alleine reise, muss ich ja schon schauen, dass ich das Gepäck irgendwie alleine vom Flughafen zum Hotel transportiert kriege. Das heißt, ich versuche entweder so wenig mitzunehmen, dass die Tasche hinten an den Rollstuhl passt, oder ich habe einen Koffer, den ich vor mir herschiebe. Das mit dem Schieben funktioniert auf ebener Strecke ganz gut, bei längeren Strecken weiß man allerdings am nächsten Tag dank des Muskelkaters, was die Oberarmmuskeln geleistet haben.

Für den Aufenthalt in Wien reichte die kleine Tasche nicht mehr, sondern der Koffer musste mit. Vom Flughafen bis zum Hotel nahm ich erst den Flughafenzug CAT und dann die U-Bahn. Beim Ein- und Aussteigen in die Züge fragte ich immer jemanden, ob er mir den Koffer über die Schwelle heben kann, denn zum Rollstuhlfahren über Schwellen brauche ich schon zwei Hände und eine dritte Hand zum Kofferschieben habe auch ich nicht. Ich finde eigentlich immer jemanden, der mir dann hilft.

Die meisten Menschen helfen gerne

Grundsätzlich habe ich mit der Hilfsbereitschaft der Menschen fast auf der ganzen Welt gute Erfahrungen gemacht. Nur in Schweden hatte ich ein paar Probleme. Immer wenn ich jemanden um etwas gebeten habe, wurde ich gefragt, warum ich denn keine persönliche Assistenz habe oder wo diese sei. In Schweden leben viel mehr Menschen mit persönlicher Assistenz als das in Deutschland oder anderen europäischen Ländern der Fall ist. Es ist dort einfach normal, dass behinderte Menschen sich ihre Assistenz selbst organisieren und ihre Assistenten selbst beschäftigen, finanziert durch Zahlungen des Staates. Dennoch fand ich die Reaktionen mancher Schweden etwas merkwürdig. Auch wenn behinderte Menschen dort öfter mit Assistenz leben, kann das ja nicht bedeuten, dass man diese grundsätzlich dabei haben muss. Es ist nun wirklich kein Problem, mir mal ein Joghurt aus dem Supermarktregal zu geben oder mir den Kaffee an den Tisch zu bringen.

In Wien ist mir dann bei der Abreise etwas sehr nettes passiert. Ich war um 6.30 Uhr morgens in der U-Bahn mit meinem Koffer und fragte eine Frau neben mir, ob sie mir den Koffer in die Bahn nehmen kann. Wie gesagt, ich brauche meine beiden Hände, um den Rollstuhl über die Schwelle der U-Bahn zu kriegen. Das war auch kein Problem, sie nahm den Koffer mit hinein. Drinnen fragte sie mich dann, wo ich denn hin unterwegs sei. Ich erklärte ihr, ich sei auf dem Weg zum Flughafen und würde in Wien-Landstraße in den Flughafenzug umsteigen. Sie bot mir an, mich zu begleiten und mir den Koffer bis zum Zug zu bringen, denn sie sei sowieso viel zu früh zu ihrem Termin und hätte noch Zeit zu überbrücken. Die nette Wienerin hat mir dann tatsächlich den Koffer durch die halbe Stadt bis zum Zug gezogen – ohne viel Aufhebens darum zu machen und hat mir so den Muskelkater erspart. Danke, liebe Wienerin!