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Die Kunst des Rollstuhlfahrens

 

„Wo haben Sie das gelernt?“, werde ich manchmal gefragt, wenn ich mit dem Rollstuhl Bordsteinkanten hochhüpfe, über den Spalt zwischen Bahnsteig und Zug navigiere, Rampen hoch- oder herunterfahre. Ich fahre gerne Rollstuhl und für mich ist das völlig normal, mich so durch die Welt zu bewegen.

Ich habe mir das Rollstuhlfahren selbst beigebracht. Meinen ersten Rollstuhl bekam ich als ich etwa sechs Jahre alt war. Es war einer der ersten farbigen Rollstühle, die es überhaupt gab. Damals wurde er in in einer kleinen Produktionshalle im badischen Malsch produziert. Die Firma von damals gehört heute zu einem Weltkonzern. Ich habe damals, Anfang der 80er Jahre, zugesehen, wie der Rollstuhl per Hand zusammen gebaut wurde. Heute sind Rollstuhlhersteller teilweise börsennotierte Konzerne.

Als ich meinen ersten Rollstuhl bekam habe ich experimentiert, was man damit noch so machen kann neben vorwärts und rückwärts auf ebener Fläche zu fahren. Erste Herausforderung: Ich wollte lernen, auf den beiden Hinterrädern zu fahren. Das habe ich auf einer Wiese gelernt. Da fällt man weicher, wenn man doch die Balance verliert und nach hinten auf den Rücken fällt. Mein Hinterkopf ist übrigens immer verschont geblieben. Der Kopf fällt meist nach vorne, wenn man selbst nach hinten fällt. Das Fahren auf Hinterräder braucht man im Alltag ziemlich oft. Zum Beispiel, wenn man über Kopfsteinpflaster fahren muss oder eben Stufen hochfährt.

Übung macht den Meister

Auch beim Rollstuhlfahren gilt: Übung macht den Meister. Wenn man zum x-ten Mal eine Stufe hochfährt, kann man es irgendwann immer besser. Nun fahre ich seit mehr als 30 Jahren Rollstuhl. Da weiß man, was geht und was nicht und wie man über Schwellen, Stufen und Lücken kommt. Heute kann man Rollstuhlfahren in Kursen aber auch richtig lernen, wenn man noch nicht so lange im Rollstuhl sitzt und keine Lust hat, so oft umzukippen und auf den Rücken zu fallen wie ich damals.

Die Kobinet-Nachrichten berichteten diese Woche von einem interessanten Urteil. Das Sozialgericht Oldenburg hat eine gesetzliche Krankenkasse zur Kostenübernahme eines Mobilitäts- und Rollstuhltrainingskurses für ein dreijähriges Kind verurteilt. Damit hat das Gericht die Position von Eltern mit behinderten Kindern gegenüber den Kostenträgern massiv verbessert.

Kasse muss zahlen

Der Deutsche Rollstuhl-Sportverband (DRS) bietet deutschlandweit Rollstuhltrainingskurse an. In diesen Kursen lernen Kinder und Jugendliche das Rollstuhlfahren und viele andere Dinge, die das Leben im Rollstuhl erleichtern. Die Kinder werden sicherer im Umgang mit dem Rollstuhl, lernen Fahrtechniken kennen, zum Beispiel wie man über eine Stufe fährt. Dadurch verbessern sie ihre Mobilität und werden selbstständiger.

Das Gericht hat nun in einem Urteil bestätigt, dass es nicht nur Aufgabe der gesetzlichen Krankenkasse ist, den Rollstuhl zu bezahlen, sondern dass die Kasse auch die Kosten für einen Mobilitätstrainingskurs übernehmen muss. Die Krankenkasse hatte zuvor die Übernahme der Kosten für das rollstuhlfahrende Kind und eine Begleitperson abgelehnt. Daraufhin trat die Familie in Vorleistung und zahlte die Teilnahmekosten selber. Nun muss die Krankenkasse ausgelegten Teilnahmekosten nachträglich übernehmen. (Urteil des SG Oldenburg vom 20.08.2014, S 6 KR 412/12).