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Inklusion bei humanitärer Hilfe

 

Wenn auf der Welt Katastrophen passieren, ist vor allem eine Gruppe besonders betroffen: alte und behinderte Menschen. Sie können oft nicht oder nur sehr langsam fliehen, brauchen besondere Maßnahmen, um ihr Überleben zu sichern. Artikel 11 der Behindertenrechtskonvention verlangt deshalb den besonderen Schutz von Menschen mit Behinderungen in Krisen- und Katastrophensituationen. Der fehlende Zugang zu medizinischer Versorgung oder das Zusammenbrechen des Hilfesystems gefährdet schnell das Leben von behinderten Menschen.

Erdbeben in Nepal

Derzeit kämpfen Hilfsorganisationen in Nepal um das Leben von Menschen in der Katastrophenregion nach dem Erdbeben im April. Es gilt als das Schwerste in der Region seit 80 Jahren. Mehr als 8.000 Menschen starben an den Folgen, rund 17.000 Menschen wurden verletzt. Am 12. Mai erschütterte ein zweites großes Erdbeben der Stärke 7,2 die Region. Das Erdbeben im April alleine zerstörte fast 300.000 Häuser in Nepal. Die Regierung schätzt, dass fast eine Million Menschen direkt vom Erbeben betroffen sind. Auch viele Menschen mit Behinderungen sind Opfer des Erdbebens geworden.

Kontakt zu Behindertenorganisationen wichtig

Um behinderten Menschen in solchen Situationen helfen zu können, sei es wichtig, schon bevor die Katastrophe überhaupt passiert ist, gute Strukturen zu haben, sagte mir Johanna Mang, verantwortlich für die Internationale Organisationsentwicklung bei der Hilfsorganisation Licht für die Welt, mit der ich über ihre Arbeit gesprochen habe.

Licht für die Welt ist eine Organisation, die sich für blinde und andere behinderte Menschen in Entwicklungsländern einsetzt. Viele behinderte Menschen werden in einer Krisensituationen zurückgelassen, weil sie zum Beispiel nicht so schnell zu Fuß sind, berichtete Johanna Mang. Deshalb sei es umso wichtiger, dass Frühwarnsysteme barrierefrei seien und die Rettungskette behinderte Menschen miteinschließt.

Man müsse idealerweise vor der Katastrophe wissen, wer die lokalen Behindertenorganisationen sind, die über behinderte Opfer der Katastrophe Bescheid wissen können. Behinderte Menschen würden in solchen Situationen oft zu den wichtigsten Ansprechpartnern, um anderen behinderten Opfern helfen zu können. Deshalb seien die Hilfsorganisationen weltweit gut beraten, mit örtlichen Behindertenorganisationen zusammenzuarbeiten.

Barrierefreier Wiederaufbau

So könne auch eher sichergestellt werden, dass der Wiederaufbau der Gemeinden barrierefrei erfolge. Wenn man alles neu aufbauen muss, kann man es eben auch gleich barrierefrei machen. Aber Standard sei das noch lange nicht, sagte Johanna Mang, doch die Hilfsorganisationen weltweit seien zunehmend sensibilisiert, was die Belange behinderter Menschen angeht. Hilfreich sei dabei auch, wenn die Organisationen selber behinderte Mitarbeiter einstellten.

Licht für die Welt arbeitet in Nepal mit der lokalen Organisation Karuna zusammen. 3.000 Familien haben Essenspakete erhalten, die sieben bis acht Menschen eine Woche lang ernähren. Außerdem wurden Schutzabdeckungen zum Bau von provisorischen Unterkünften verteilt. Auch medizinisches Equipment wurde angeschafft und 70 orthopädische Anlaufstellen wurden eingerichtet.

Beim Aufbau kommt es zudem darauf an, behinderte Menschen nicht nur als Hilfsempfänger zu sehen, so Johanna Mang. Es sei wichtig, diese aktiv in den Wiederaufbau miteinzubeziehen. Viele hätten zudem schon Erfahrungen mit vorangegangenen Katastrophen, die wertvoll für die Hilfsorganisationen seien. Also auch bei humanitärer Hilfe gilt der Grundsatz der Partizipation: „Nichts über uns ohne uns.“ Es wäre wünschenswert, wenn mehr Hilfsorganisationen danach handeln würden.