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Die wahre Geschichte hinter einem unglaublichen Foto

 

Fotografie: Das ist doch Fake, oder nicht? - Teilchen

Auf den ersten Blick sieht man einen Jungen mit blonden lockigen Haaren, der in einem weißen T-Shirt an einer Promenade steht. Er wirkt gelassen. Als ob nichts wäre. Auch die vielen Fußgänger, die im Hintergrund am Ufer entlangschlendern, fallen nicht besonders auf. Die gesamte Szenerie wirkt fast schon alltäglich, wären da nicht die beiden Türme im Hintergrund, aus denen graue Rauchwolken und extremer Qualm emporsteigt – es handelt sich um das World Trade Center, welches in wenigen Minuten zusammenstürzen wird. Die rätselhafte Fotografie, die am 11. September 2001 entstanden sein soll, tauchte 2015 auf reddit auf und ist Mittelpunkt verschiedener Verschwörungstheorien.

Die Sonneneinstrahlung von oben stimmt nicht mit dem Schattenwurf überein. Die Twin Towers sehen viel zu hell aus, im Gegensatz zu den dunklen anderen Gebäuden. Und die Fußgänger rennen nicht. Fast schon seelenruhig und gelassen wirken sie. Niemand schaut zu den brennenden Türmen. Und überhaupt, wer stellt sein Kind vor so eine Tragödie und schießt ein Foto? Viele Mitglieder der Onlinecommunity von reddit sind überzeugt, das Foto kann nicht echt sein. Doch das Foto ist kein Fake.

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 sind für jeden Menschen ein Begriff. Jeder weiß, wo er oder sie war, als die Nachricht, „Flugzeuge in Türme geflogen“, durch die Medien ging. Die islamistische Terrormiliz Al-Kaida entführte vier Maschinen und steuerte diese auf verschiedene militärische und zivile Gebäude, darunter auch das World Trade Center in New York City. Fast 3000 Menschen sind den Anschlägen zu Opfer gefallen, darunter auch viele Ersthelfer und Ersthelferinnen. Die Bilder von Schutt, Asche und der brennenden Türme hat jeder im Kopf – ob jung oder alt. Austin Sansone – der Blondschopf auf dem Foto – war gerade mal ein Kind, das diesen 11. September mit der Vorschule starten sollte.

Und der Tag fing ganz normal an: Austin sitzt mit seiner Mutter Susan zu Hause, isst zum Frühstück Cornflakes und schaut sich im Fernsehen die Zeichentrickserie Dragon Tales (Drachengeschichten) an. Alles ist wie immer, bis Susan zu ihm ins Wohnzimmer geht und auf einen Nachrichtensender umschaltet. Ein Flugzeug sei in die Zwillingstürme geflogen. Sirenen sind draußen zu hören. Ihr Ehemann ruft zu Hause an und erzählt von zwei Flugzeugen, die in beide Türme geflogen seien. Susan fasst den Entschluss mit ihrem Sohn rauszugehen, um sich selbst ein Bild zu machen. Die Kamera ist dabei und das orangefarbene Fernglas auch. Angekommen an der Promenade des Hudson Flusses entsteht das Foto. Das berichten Susan und Austin den Podcastern von Underunderstood. „Das Schlimmste schien vorüber zu sein“, so erklären sich Mutter und Sohn die Gelassenheit der Passanten und ihre eigene. Niemand wusste, was noch passieren wird. Niemand rechnete mit dem Zusammenstürzen der Türme. Und außerdem: Austin, Susan und die Fußgänger auf dem Foto sind mindestens zwölf Blocks vom World Trade Center entfernt – und damit in Sicherheit. Nach einem weiteren Foto der brennenden Twin Towers, machen sie sich auf den Weg nach Hause. Nicht einmal zwei Minuten später stürzt der erste Turm ein.

Ganze zwei Wochen hat Susan gebraucht, um die Fotos entwickeln zu lassen – früher konnte sie es nicht. Über die Jahre haben Familienmitglieder und Familienfreunde das eindringliche Foto zu Gesicht bekommen. 2012 postete Austin ein Handyschnappschuss davon auf Facebook und 2014 auf Instagram. So gelangte es ins Internet und später auf reddit. Ein Freund berichtete Austin davon und von der Annahme der Reddit-User, dass das Foto nicht echt sei. Daraufhin legte er sich einen Account an und offenbarte sich selbst als der Junge mit den blonden lockigen Haaren. Für die Sonneneinstrahlung und den seltsamen Schattenwurf gibt es ebenfalls eine einfache Erklärung: Es ist das Licht einer Schreibtischlampe, welche beim Abfotografieren reflektierte.


Seine Mutter hatte bereits während des Fotografierens ein unwohles Gefühl. Auch wollte sie die Fotografien nie öffentlich machen, obwohl es Möglichkeiten dafür gab: „Um ehrlich zu sein, hat es sich einfach nicht richtig angefühlt. Es schien opportunistisch.“ Das Foto sollte niemand zu Gesicht bekommen.