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Mit einem Brot am Zebrastreifen

 

Über die Jahre (16): Bis 1999 kannte beinahe niemand Funny van Dannen. Dann veröffentlichte er sein Album „Uruguay“ und begeisterte Kritik wie Publikum. Die CD ist der bisherige Höhepunkt im Schaffen des lakonischen Liedermachers mit seinen intellektuell angehauchten Witzen und Spitzen

Fanny van Dannen Uruguay

Kann ein Mann mit einer Gitarre der Welt noch etwas Neues geben? „Inzwischen bin ich Künstler und das ist wunderschön – dabei wollte ich ursprünglich nur nicht arbeiten gehen.“ Franz-Josef Hagmanns, so heißt Funny van Dannen bürgerlich, ist kein Popstar geworden, das war nie seine Welt. 1999 veröffentlichte er Uruguay – die letzte Platte, bevor sich das deutsche Feuilleton dazu berufen fühlte, seine Stücke wertzuschätzen.

Sein Lebenslauf ist nicht ungewöhnlich. Geboren wurde er nahe der Grenze zu den Niederlanden, Ende der Siebziger zog er nach Berlin. Er lebte als Künstler, malte, musizierte, schrieb und setzte vier Kinder in die Welt. Kann so jemand Liedermacher werden? Jemand, der eigentlich gar nichts zu erzählen hat und das auch noch zugibt?

Der Mann steht auf der Bühne, allein mit seiner Gitarre passender wäre vermutlich die Bezeichnung Klampfe. „Wenn ich hier stehe, und Sie so sehe, bin ich der glücklichste Mensch auf der Welt.“ Er spielt seine Lieder für und dann wieder mit dem Publikum. „Und wenn Sie mich fragen, warum ich das sage: Ich bin nicht mehr jung und ich brauche das Geld.“

Er ist ein Meister alltäglicher Melancholie, von Molltönen und feinen Wortspielen. Wie ein Bach plätschert seine Musik vor sich hin, der Geschichtenerzähler und seine Gitarre ergänzen sich perfekt. Wenn es ihm notwendig scheint, zückt er auch mal die Mundharmonika. Die Musik lädt zum Mitsummen ein, wer sich einlullen lässt, verpasst die Spitzen in seinen Texten.

„Wo kommen die Gedanken her,
was wollen sie von mir,
wenn sie morgen wiederkommen,
bin ich nicht mehr hier“

Seine Texte stecken voller deprimierender Erfahrungen. Die großen und kleinen Dramen menschlichen Zusammenlebens und Missverstehens besingt er. Funny van Dannen ist ein aufmerksamer Beobachter, der überspitzt formuliert und dem oft verschämt lachenden Publikum den Spiegel vorhält. Wer muss nicht schmunzeln, wenn eine misslungene Liebesgeschichte auf ihre alltägliche Substanz („Ich stand mit einem Brot am Zebrastreifen, sie war wirklich fort, ich stand mit einem Brot am Zebrastreifen, ich stand noch lange dort“) reduziert wird?

Uruguay war seine vierte CD. Warum sie so hieß? „Wahrscheinlich ist es nur das Wocht, dem ich verfallen bin.“ So viel sprachlicher Lokalkolorit durfte auch nach 20 Jahren Berlin noch sein. Nach dem Erscheinen von Uruguay wurde Funny van Dannen einem breiteren Publikum bekannt, die Kritik erklärte ihn zu Deutschlands oberstem Liedermacherantipopstar. Hört man die CD heute, hat man das Gefühl, dass sie der Höhepunkt des lakonischen Liedermachers mit seinem oft intellektuell angehauchten Witz war.

„Uruguay“ von Funny van Dannen ist als LP und CD erschienen bei Trikont

Hören Sie hier „Wo kommen die Gedanken her?“

Weitere Beiträge aus der Serie ÜBER DIE JAHRE
(15) The Cure: „The Head On The Door“ (1985)
(14) Can: „Tago Mago“ (1971)
(13) Nico: „Chelsea Girl“ (1968)
(12) Byrds: „Sweetheart Of The Rodeo“ (1968)
(11) Sender Freie Rakete: „Keine gute Frau“ (2005)
(10) Herbie Hancock: „Sextant“ (1973)
(9) Depeche Mode: „Violator“ (1990)
(8) Stevie Wonder: „Music Of My Mind“ (1972)
(7) Tim Hardin: „1“ (1966)
(6) Cpt. Kirk &.: „Reformhölle“ (1992)
(5) Chico Buarque: „Construção“ (1971)
(4) The Mothers of Invention: „Absolutely Free“ (1967)
(3) Soweto Kinch: „Conversations With The Unseen“ (2003)
(2) Syd Barrett: „The Madcap Laughs“ (1970)
(1) Fehlfarben: „Monarchie und Alltag“ (1980)

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