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Lass das Jammern, Eule!

 
Nach zehnjähriger Pause kehren Portishead mit „Third“ zurück. Leicht könnte man die reizvollen Stücke lieben, käme einem nicht Beth Gibbons’ selbstmitleidiger Gesang immer wieder in die Quere.

Portishead Third

In schwierigen Situationen lernt man viel über seine Freunde. Gute Freunde geben Rat, wenn es einem schlecht geht. Sie zeigen Auswege. Schlechte Freunde tun so, als seien sie gute Freunde. Sie bestätigen den Leidenden in seiner Malaise und wenden sich ab, wenn man selbst einen Ausweg findet. Schlechte Freunde suchen den Mitleidenden.

Diese CD ist ein schlechter Freund.

Das Drama des begabten Kindes – es geht in eine neue Runde. Meine Damen und vor allem Herren: Es darf gejammert werden, nach Herzenslust. Portishead sind zurück, Third heißt ihr erstes Werk nach einer zehnjährigen Pause. Beth Gibbons eulenhafte Stimme bedient wieder die Phantasie vom traurigen Clown. Schon im zweiten Lied Hunter jault sie „If I should fall, would you hold me?“ Weiße Pferde tragen sie hinfort. Das ganze Album ist voll von solch armseliger Prosa. „Empty in our hearts, crying out in silence“ – die Dichtung ist kitschig, wie ein Harlekin auf dem Sofa. Billige Helferfantasien werden animiert, Gibbons schminkt die Wasserleiche. Der Hörer möchte sie trösten oder sich mit ihr im Unglück suhlen. Was ist so schön daran? Was macht den Wirbel um die Band Portishead aus?

Zugegeben, sie wissen, wie man ein Album produziert. Die Klänge sind eigenartig, die Rhythmen trocken. Die Musik ist dynamisch und spannend, sie umgibt eine Aura. So originell wie behauptet wird, ist das alles nicht. Für das Stück We Carry On sollten sie Geld an die Silver Apples überweisen. Deren Stücke You And I und Oscillations aus den späten Sechzigern werden hier einfach kopiert. Gut kopiert immerhin. So verführt das Flimmern und Brummen der Synthesizer immer wieder zum Hinhören. Beth Gibbons Stimme liegt transzendent darüber, ihr Selbstmitleid macht alles kaputt. Frei von Selbstironie und vollkommen humorlos postuliert sie die Gebote der Düsternis.

Brrrr.

Wenn alle Ideen in eine Richtung gehen, wird’s langweilig. Hier ist kein Bruch, keine Hoffnung. Alles kreist um sich selbst. Beschwingter Reggae ist gewiss keine Alternative, aber beim Hören von Third wünscht man ihnen den Abschied vom Schwindsüchtigen und den Aufbruch zu neuen Themen.

Lesen Sie hier die Rezension von Thomas Groß

„Third“ von Portishead ist als CD und LP bei Island/Universal erschienen.

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