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Was Carla B. alles mit der Hand macht

 

Chansons mit Geschmacksgarantie, wie man sie bei der Fußpflege hört: Madame Sarkozys neues Album kommt direkt von der Schule für höhere Töchter.

Carla Bruni Comme Si De Rien N’Etait

Sie haben eine Tochter, die später eine Führungsposition in Ihrem Familienunternehmen besetzen soll? Und Sie suchen ein Privatinstitut, das für traditionelle Werte steht, Ihre Tochter mit den gesellschaftlichen Anforderungen vertraut macht, ihr die nötige Parkettsicherheit verleiht und sie auch im musisch-kreativen Bereich fördert? Dann sollten Sie vielleicht gelegentlich mit jemandem reden, der sich mit solchen Dingen auskennt. Mit Carla Bruni etwa – Carla Bruni-Sarkozy, soviel Zeit muss ein.

Allerdings soll sie Schimon Peres unlängst beim Staatsbankett im Elysée-Palast angemessen greisenwitzig verraten haben, dass sie bei Fototerminen statt »Cheese« lieber »Sex« sagt. Oh la la, ein Top-Aufreger für Schwer-Verklemmte, der Bunte und Gala wochenlang in freudige Erregung versetzte – ähnlich wie der graue Mantel mit Lackledergürtel, den Madame Sarkozy kürzlich beim Empfang auf Windsor Castle trug.

Und es kommt noch schlimmer: Auf ihrem gerade erschienenen Album Comme Si De Rien N’était erklimmt Carla Bruni neue, ungeahnte Höhen der Libertinage: Sie singt von dreißig Liebhabern in vierzig nymphomanen Lebensjahren und der wilden Brunst mit ihrem omnipotenten Ehemann (»gefährlicher als kolumbianischer Schnee«), dem französischen Staatspräsidenten und Robocop, der vor nicht allzu langer Zeit angekündigt hat, seinen »Hochdruckreiniger« demnächst auch gegen die ungewaschenen Massen der Pariser Banlieues einzusetzen.

Erfreulicherweise bleiben dies Brunis einzige Ausrutscher auf einem Album, über dem vierzehn Lieder lang die stirnrunzelnde Frage schwebt, warum solch Vorstadt-Gesindel eigentlich nie ein Schweizer Internat besucht hat.

Schließlich geht es auch mit Stil und Niveau. Nach Quelqu’un m’a dit (2002), einer marktgerecht austarierten Kollaboration mit dem Gitarristen Louis Bertignac, und No Promises (2007), der geschmackvollen Vertonung diverser Lyrik von W.H. Auden bis Emily Dickinson, ist Comme Si De Rien N’était ein Triumph neoliberaler Lyzeumserziehung: stets zurückhaltend, nie störend, durchweg dezent, soigniert und kultiviert. Hinter dem rauchigen Timbre steht immer die Gouvernante: Hände aus den Taschen. Und jetzt mach einen Knicks!

Selten hat der diskrete Charme der Bourgeoisie so perfekten Ausdruck gefunden: Aus jedem einzelnen Chanson spricht jene Souveränität, mit der exklusive Eheanbahnungsinstitute für gewöhnlich die Qualitäten künftiger Industriellengattinnen anpreisen. Der intime, handgemachte Charakter der Lieder fügt sich makellos zur erlesenen Schlichtheit des maßgeschneiderten Hosenanzugs, in dem die Bruni auf dem Cover an einem stillen Weiher entlang flaniert.

Comme Si De Rien N’était bewegt sich mit traumwandlerischer Sicherheit auf dem Parkett des gehobenen Anspruchs, zwischen den sanft verdrucksten Schlagern einer Françoise Hardy und Milva singt Bert Brecht. Jenen Platten, die hinter dem weißen Ledersofa stehen, auf dem sich die junge Dame im kleinen Schwarzen gerade fragt, wo sie diese sinnlich-warmen Klänge schon mal gehört hat. In Carl-Friedrichs Landhaus in der Provence? Beim Souper im Tour d’Argent? Als sie den Blick nach unten richtet, fällt es ihr wieder ein. Ja, natürlich. Es könnte bei der Pediküre gewesen sein.


Carla Bruni bringt Frankreich in Wallung. Lesen Sie hier den Kommentar von Thomas Groß »

»Comme Si De Rien N’Etait« von Carla Bruni ist bei Ministry of Sound/Edel erschienen.

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