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Der Zukunft entgegen

 

Über die Jahre (48): David Bowies Album „Heroes“ ist schizophren, flüchtig, zerbrechlich und doch ein Monument der Popgeschichte. Es ist 1977 in Berlin entstanden und hallt dort immer noch nach

Cover

 
David Bowie
 
Aus dem Album: Heroes RCA (1977)
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Manchmal steht man einer Platte ganz hilflos gegenüber. Einem Album, das längst zum Monument geworden ist, das ein Genre geprägt hat. So wie David Bowies Heroes, das er 1977 in Berlin eingespielt hat.

Die Stadt ist noch immer tief davon beeindruckt. Auf einem aktuellen Berliner Lifestyle-Magazin ist die Albumhülle nachgestellt: Bowie, wie er roboterhaft und manisch in Leder posiert. Und im Berliner Hebbel-Theater hat kürzlich eine Band voller Emphase Bowies Heroes nachgespielt. Der Titel Hit wird seit jeher zum Soundtrack der Mauerstadt stilisiert.

Es steht also Vieles zwischen dem Album und dem Kritiker, der Heroes befreit von der Schlacke des Popmystizismus hören will. Aber was da dann auf dem Plattenteller rotiert, ist einfach betörend: ein Werk von modernistischem Glanz und gloriosem Pathos, von stilistischer Reife und romantischem Sehnen. Also eine Ansammlung des eigentlich Unvereinbaren.

Tatsächlich ist Heroes ein fragiler, flüchtiger Körper aus musikalischen Fragmenten und intertextuellen Verweisen. Beständig im Fluss, schon fast nicht mehr da. Es drängt der Zukunft entgegen, kann aber von der Vergangenheit nicht lassen.

Ein schizophrenes Werk. Auf der ersten Seite reihen sich Perlen wie Beauty and the Beast, Blackout und Heroes aneinander. Intelligent produzierte, vielschichtige, funkige Kompositionen, die doch nie abgeschlossen sind, stets gegen die eigene Form agitieren.

Auf der zweiten Seite bremst das Album ab und breitet sich in die Fläche aus. V-2 Schneider, eine ironische Hommage an die Band Kraftwerk, gleicht eher einer mantrahaften Beschwörung als einem linear erzählten Lied. Moss Garden erinnert an die sphärischen Klänge des Soundtracks zu Blade Runner. Eine verregnete, verwilderte Zukunftsvision im immerwährenden Abendrot.

Und wirkt Bowie auf dem Cover von Heroes nicht selbst wie ein Replikant? Wie eines jener Maschinenwesen, die sich in Blade Runner hoffnungslos ihrer eigenen Menschlichkeit zu versichern suchen? Eine subtile Referenz an die Zauberwelt des Pop, diesem dauernden Betrug, von dem man sich doch so gerne verführen lassen möchte.

Eines ist das Album jedoch nicht: ein akustisches Geschichtsbuch über das geteilte Berlin. Vielmehr ein glücklicher Moment, in dem die nach Erneuerung strebenden David Bowie und Brian Eno sowie der Produzent Tony Visconti zu einer gemeinsamen, epochalen Klangsprache gefunden haben – und die klingt noch immer zeitgemäß.

Der Franzose Gilles Deleuze hat große Kunstwerke als ein „immer im Werden begriffenes Monument“ bezeichnet. Vor denen darf man auch hilflos stehen und sie einfach nur wirken lassen.

„Heroes“ von David Bowie ist im Jahr 1977 bei RCA erschienen.

Eine vollständige Liste der bisher in der Rubrik ÜBER DIE JAHRE besprochenen Platten finden Sie hier.

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