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Wie THC und zu viel Kaffee

 

Eine Dosis Tricky gefällig? Vierzehn Jahre nach seinem gefeierten Plattendebüt hat der Meister des Downbeat mit dem Dub-Kollektiv South Rakkas Crew ein neues Album veröffentlicht.

© Domino
© Tim Saccenti

Es ist rätselhaft, doch manchmal wirkt Entschleunigung sonderbar gehetzt und Geschwindigkeit gemächlich. TripHop ist so ein musikalischer Widerspruch: Die Mischung aus Rap, Raggamuffin, Dub und Techno vereinte deren Elemente Anfang der Neunziger in so gedrosseltem Tempo, dass sich jede Dynamik darin verfing.

Unter der Downbeat-Oberfläche brodelte jedoch das hitzig Schweißtreibende, eine Art weißer Ghettosoundtrack zur brennenden Hinterhofmülltone. Und kaum jemand wirkte darin gehetzter, fiebriger, atemloser als Tricky.

Auch auf seinem neuen, dem neunten Studioalbum scheint seine Stirn stets zu glänzen. 14 Jahre nach seinem gefeierten Plattendebüt liegt ein Hauch von Erschöpfung in der Stimme von Adrian Thaw, wie Tricky bürgerlich heißt. Und wenn der klapperdürre Tanzflächenflüsterer sich gemeinsam mit dem Dub-Kollektiv South Rakkas Crew auf den Weg zurück zu den Wurzeln des TripHop – mehr Offbeat, Dancehall, mehr Jamaika – begibt, entsteht wieder diese angespannte Ratlosigkeit: Wie schafft es der 41-Jährige bloß, ungeachtet aller Tempowechsel stets gleichbleibend zu beschleunigen?

Der Treibstoff heißt: Melancholie. Es ist, als firmiere das Schwermütige, Getragene, Düstere seiner Aura als Antriebsaggregat. Zehn Stücke lang arbeitet sich das Proletarierkind aus dem Armutsgürtel von Bristol durch all die Genres des TripHop, immer ein paar bpm hinzu. Doch ob schnulziger Elektropop (Joseph), reduzierter Drum’n’Bass (C’Mon Baby) oder karibischer Techno (Far Away) – fast überall entsteht dieser nebulöse Sog des Ausgebrannten.

Eine Dosis Tricky wirkt eben noch immer wie Übernächtigung, THC und zu viel Kaffee in sauerstoffarmen Clubdiskotheken. Warum, das ist und bleibt ein Rätsel.

„Tricky Meets South Rakkas Crew“ ist als CD, LP und Download erschienen bei Domino.

Dieser Text wurde gedruckt in der ZEIT Nr. 49/2009.