Eddie Argos und Dyan Valdés ist nichts heilig. Sie knöpfen sich Dylan, Sinatra, Kanye West oder Avril Lavigne vor und schreiben Gegendarstellungen zu deren größten Hits.
Es reicht! Soviel Unfug wurde gesungen in den vergangenen fünfzig Jahren. Zuviel Unfug, finden Eddie Argos und Dyan Valdés – und nehmen sich die schlimmste Poplyrik vor.
Fixin‘ The Charts heißt ihre Mission, wir reparieren die Hitparade. Das kann man sich merken. Ihren Bandnamen kaum, so lang und mit allerlei Satzzeichen: Everybody Was In The French Resistance…Now! Volume 1 steht auf der Hülle, na klar, ist ja auch eine umfassende Mission.
Das Prinzip ist einfach: Die beiden Musiker schreiben Lieder, die wie Gegendarstellungen anderer Stücke klingen. Irgendwo müssen sie beginnen, so müssen erstmal Dylan, Sinatra, Jackson und Kanye West dran glauben, dazu ein paar weniger Bekannte. Und Argos und Valdés nehmen nichts davon ernst, weder sich selbst noch die Heroen der Musikgeschichte.
Nicht einmal Frank Sinatra. Im melodramatisch triefenden My Way versicherte der sich vor vierzig Jahren der Richtigkeit seiner Entscheidungen. Was ihm auch in die Quere gekommen sei, singt er, er habe alles auf seine Art bewältigt. Aufschneider!, mag Eddie Argos gedacht haben. Und gibt sich in My Way (Is Not Always The Best Way) hilflos: „When I’m at a crossroads and I don’t know what path I should take, I normally phone a couple of people before I make a mistake“, erzählt er. Denn: „Sometimes I’m not so wise, I make mistakes, I make them twice. I’m ready to admit, occasionally, I’m not the person who knows what’s best for me.“ Und die Nachricht in Billie’s Genes an Michael Jackson: „You left us in such mess, no need for a paternity test.“
Auch Avril Lavigne bekommt ihr Fett weg. Ihr Girlfriend sei ein „böswilliger Angriff, der andere Mädchen niedermachen und den Diebstahl ihrer Freunde rechtfertigen soll“, schreibt Eddie Argos in seinem Blog. Und deshalb schickt er in seiner Antwort G.I.R.L.F.R.E.N. (You Know I’ve Got A) eben jene Avril Lavigne in die Wüste. „I’ve something to tell you, so listen carefully: I’m in love with someone else, we’ve got concerns about your mental health.“ Das sitzt!
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Das ist kein Album mit verkappten Coverversionen. Die Pianistin Dyan Valdés und der Sänger Eddie Argos legen zusammen, was sie mit ihren eigentlichen Bands ohnehin spielen: Sie steuert den gefälligen und klavierbetonten Indierock von The Blood Arm bei, er das nasale Lamento, mit dem Art Brut bekannt wurden. Dazwischen streuen sie kleine Zitate, etwa Michael Jacksons Quieken oder irgendein prägnantes Riff. Sehr poppig ist das alles.
Der Name der Band stammt übrigens aus dem Lied Creeque Allies, der Antwort auf Creeque Alley von The Mamas & The Papas. Damals wurde die Geschichte der Folkbewegung in den späten Sechzigern erzählt, Eddie Argos berichtet in ähnlich plauderndem Tonfall von der Entstehung des französischen Widerstands: „When the Nazis marched to Paris, the French were quiet embarrassed, I think you know what I mean…“ So haben Monthy Python das in ihren besten Momenten gemacht: Ein historisches Ereignis in den eigenen Worten nacherzählt, naiv, überdreht, absurd.
Auch visuell zitieren und korrigieren Argos und Valdés: Auf der Hülle ihrer ersten CD posieren sie als Bogart und Bergmann vor dem Flugzeug, das Casablanca verlassen soll. Und das Video zu ihrer ersten Single G.I.R.L.F.R.E.N. (You Know I’ve Got A) ist eine Hommage an die Agnès Vardas Film Cléo De 5 À 7 und Jean-Luc Godards Bande À Part. Sehr stilbewusst ist das alles.
Die Lyrik von Eddie Argos nehmen sich im übrigen andere vor: Vor zwei Jahren fand an der Berliner Humboldt Universität eine Vorlesung statt zum Thema Der depressive Dandy – die Texte von Eddie Argos. Seine Stellungnahme dazu: „In Deutschland hält man mich für einen Intellektuellen, das ist lächerlich.“
„Fixin‘ The Charts – Volume 1“ von Everybody Was In The French Resistance…Now! ist auf CD erschienen bei Cooking Vinyl/Indigo.