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Von Detroit über Düsseldorf nach Tokyo

 

Techno mit Bass, Gitarre und Schlagzeug? Das japanische Damentrio Nisennenmondai macht famosen Elektro ohne Computer. Endlich ist das Album „Destination Tokyo“ in Europa erschienen.

© Alive

Nisennenmondai bringen Krautrock und Techno wieder zusammen – ganz ohne Schlagzeugcomputer und Sampler. Destination Tokyo ist ein rein akustisches Technoalbum. Und das pumpt und stampft gehörig.

Nisennenmondai sind drei Frauen aus Japan. Seit etwas mehr als zehn Jahren gibt es die Band, in Japan veröffentlichten sie bereits ein paar Platten. Destination Tokyo erschien vor zwei Jahren in ihrer Heimat, nun bringt das norwegische Label Smalltown Supersound es auch hier zu Gehör. Welch ein Glück!

Die Stücke sind so schematisch aufgebaut wie viele Technoplatten. 16 Takte Klackern, 16 Takte Klackern und Quietschen, 16 Takte Klackern, Quietschen und Wummern, 16 Takte Klackern, Quietschen, Wummern und so weiter. Nur: Das Klackern und das Wummern entfahren dem offen gestimmten Schlagzeug von Sayaka Himeno, das Quietschen, und Zerren, das Ziehen und Schleifen entlocken Masako Takada und Yuri Zaikawa dem Bass und der Gitarre. Akkorde sind selten zu hören – stattdessen jedes andere Geräusch, das einem Saiteninstrument zu entlocken ist.

So schematisch und so wenig variantenreich war der Krautrock selten, mit dem teilen sich Nisennenmondai das Instrumentarium. Hört man Destination Tokyo, so kann man sich einfach vorstellen, wie Anfang der Achtziger eins zum anderen führte. Düsseldorf war ja immer nur ein Stadtteil von Detroit. Oder war es umgekehrt?

Die erste halbe Stunde von Destination Tokyo ist körperbetont und rhythmisch, Nisennenmondai kümmern sich kaum um die Melodie. Durch die wehenden Nebel von Rhythmus, Rückkopplung und Verzerrung blinzeln allenfalls Melodiefragmente, meist nur Geräusche. Präzise schlägt sich Sayaka Himeno durch die drei Stücke Richtig Tokyo. Sie sind lang, sehr lang, zwischen acht und dreizehn Minuten – das bekäme auch eine gute Techno-Maxi nicht besser hin.

Mittendrin eine Spielerei: Das einminütige Miraabouru ist die Demoversion des folgenden Mirrorball. Mehrstimmig und beschleunigt kieksen drei Frauenstimmen von dem, was kommen soll. „Dab-ba-dabba-daba-det-det…“ Schließlich zerfällt alles im Gelächter. Ob sie ihre Lieder immer so komponieren?

Im Titelstück schließlich kommt all das Melodiöse von Techno und Krautrock zusammen. Die Gitarre spielt urplötzlich gedämpfte Akkorde, der Bass zieht immer wieder eigenwillig nach oben, ist viel mehr als nur der Taktgeber. Und dann – tatsächlich – darf ein Synthesizer durch den Klangraum wabern, darf ein Sequencer die Klänge in die Unendlichkeit schießen. Das klingt nach dem Starrsinn der anderen Stücke erstaunlich gefällig, wie ein richtiges Poplied.

Als die drei Freuen die Band gründeten, sprach die Welt vom Millennium-Bug. „Nisennenmondai“ wurde der auf japanisch genannt. Eine halbe Ewigkeit ist das her – und ein so anachronistisch anmutendes Computerwort steht der Band ganz famos.

„Destination Tokyo“ von Nisennenmondai ist bei Smalltown Supersound/Alive erschienen.