Die einen kennen Daniel Johnston nur von Kurt Cobains legendärem T-Shirt. Anderen gilt er als Inbegriff genialischer Verschrobenheit. Jetzt gibt’s ein neues Album.
Wenn Daniel Johnston singt, schießen einem die Tränen in die Augen! Diese unsichere Stimme, wie sie dramatische Höhen zu erklimmen sucht. Wie sie wackelt, zittert, wie sie kämpft. Die ersten 48 Sekunden seiner neuen CD singt er ohne Begleitung, brüchig und außer Atem, fast ziellos. Er nuschelt das Schauermärchen vom Jungen, der einen Zug über seinen Kopf fahren ließ, um zu begreifen, wie es sich anfühlt, tot zu sein.
Und dann setzt dieses Orchester ein. Welch Perfektion! Welch behändes Spiel! Welchen Wohlklang es dieser Stimme entgegensetzt. Kontrabass und Saxofon, Akkordeon und Cello bereiten dem überhitzten Sänger ein warmes Bett – wie ein Igel tobt Daniel Johnston durch die Daunen. Mal orchestral, mal im Stile einer Marching Band interpretiert das niederländische Beam Orchestra mit Daniel Johnston einige seiner früheren Lieder neu. Bisher trug er sie allein vor, an der Gitarre oder am Klavier, virtuos klang es nie. Keine Angst, auch Beam ist kein klebriges Filmmusikorchester, es instrumentiert sparsam.
Daniel Johnston gilt als Ikone und zugleich als tragische Figur. So viele kennen ihn – aber kaum jemand kennt seine Musik. Bei den MTV Video Music Awards 1992 trug der Sänger von Nirvana, Kurt Cobain, ein T-Shirt mit einem krakeligen Monster; daneben stand „Hi, how are you“ – und der Name Daniel Johnston. Tuscheltuschel, kennste den? Johnston? Nee, Du?
Von da an stand er in vielen Poesiealben gleich neben Nirvana. Daniel Johnston, das war wahrer Untergrund, ihn zu kennen verlieh Glaubwürdigkeit und sicherte Bewunderung. Bis zum Exzess warf er Drogen ein, heißt es, aufgrund manisch-depressiver Störungen kam seine Karriere immer wieder ins Stocken. Ach was, sein ganzes Leben. Seine Biografie ist eine Aneinanderreihung von verschenkten Chancen, Ausfällen, Aufraffen, Querköpfigkeit, missachtetem Talent und Krankheit.
Eine Chance bekam er: Eine große Plattenfirma nahm ihn unter Vertrag – aufgrund des von Kurt Cobain getragenen T-Shirts! – und veröffentlichte 1994 das Album Fun. Sein Fürsprecher war da schon tot. Und der Freak ließ sich nicht melken: Von Fun wurden nur ein paar Tausend Stück verkauft (sagt jedenfalls Wikipedia, es wäre nicht überraschend, wenn das stimmte). Die jungen Grunger kannten Johnstons Namen – seine Platten nicht.
Die Plattenfirma ließ Daniel Johnston bald wieder ziehen, seitdem raunen die Feuilletons und Blätter der Musikkenner, wenn er mal hier, mal dort ein neues Album veröffentlicht. Noch immer ziemt es sich, sich dem Werk Johnstons vertraut zu zeigen. Große Stückzahlen zu pressen lohnte sich jedoch für keine Plattenfirma.
Dennoch versucht es nun das Label Hazelwood, man kann ihm nur Glück wünschen. Mit Beam Me Up! gelingt Daniel Johnston etwas, was ihm zuvor oft misslang: Es ist ein hörbares Album. Lieder, die man wieder und wieder spielen möchte. Seine zuvor oft schwer erträgliche Stimme schmücken nun niederländische Daunen. Steht ihr gut.
„Beam Me Up!“ von Daniel Johnston & Beam ist auf CD und LP bei Hazelwood Vinyl Plastics/Rough Trade erschienen.
Daniel Johnston im Konzert: 7.4. Frankfurt, 12.4. Hamburg