Längst hat Südafrikas House die Clubs Europas erobert. Die Kompilation “Ayobaness!” versammelt nun die Protagonisten der Szene, die zwischen Lokalem und Globalem changiert.
Die Verbindung von Lokalem und Globalem ist heute überall zu beobachten, nicht nur in der Musik. In Südafrika mehr als andernorts. Die vor nicht einmal 20 Jahren neugeborene Gesellschaft knabbert noch immer an der Integration der Klassen und Identitäten. Die Nation, die sich selbst mit dem Bild eines Regenbogens symbolisiert, baut die Mosaiksteinchen globaler und globalisierter Kultur tagtäglich neu ein in ihr Selbstverständnis. Die Integrationsfähigkeit für das Globale scheint dabei oft stärker zu sein als für das Lokale.
Ayobaness! ist ein beeindruckendes Dokument der Synthese von Lokalem und Globalem – eine Kompilation, die in den südafrikanischen House einführt. Der House geht ja längst weltweit Verbindungen ein – etwa in Rios Baile Funk oder bereits zuvor im südafrikanischen Kwaito – und treibt Tanzende aller Kontinente an. Er scheint besonders geeignet zu sein, lokale Stile zu integrieren. Im Grunde genommen ist der House die Weltmusik von heute.
Das Besondere am südafrikanischen House ist einerseits, dass er mit Raps in Zulu, in Xosa, in Englisch oder einer Mischung mehrerer Sprachen befeuert wird. Sprache ist offenbar viel weniger Kriterium eines Kulturkampfes (wie er hierzulande wahrnehmbar ist) als ein neutrales Werkzeug. So vermischen sich die Sprachen zu lokalen Slangs, die Raps sollen vor allem gut klingen – elf Landes- und Amtssprachen bieten ungeahnte Möglichkeiten.
Und dann ist da dieses nervöse Flimmern des Herzschlags, das die glatte Oberfläche des House aufbricht. Oft treibt ein quietschiger Offbeat die Stücke voran, die Rhythmen sind dreckig und blechern, längst nicht so kristallklar, wie das minimalistische Schlagwerk, das hierzulande durch die Clubs ballert. Beides hat was.
„Ayobaness!“ ist ein Ausruf der Freude, entstanden in den Townships von Johannesburg, es ist auch der Titel des Stückes von Pastor Mbhobho – dem selbsternannten Präsidenten der Jugendkultur. Er ist eine schillernde Kunstfigur, trägt eine wilde Perücke und eine riesige Sonnenbrille, behängt ist er mit allerlei Tand. Sein Ayobaness lässt es gehörig knatschen, mit froschiger Stimme rappt er über einen scheppernden Beat. Auch die neu entstehende schwarze Unterhaltungsindustrie in Südafrika hat ihre Humoristen.
Auch Mujava ist zu hören, der erste südafrikanische House-DJ, der auf die Titel europäischer Magazine gelangte. Warp Records veröffentlichte vor zwei Jahren seinen Township Funk, es wurde eine der Tanzhymnen des Jahres in europäischen Clubs. In Südafrika kannte ihn bis dahin kaum jemand. Wirkliche Stars hingegen sind seit langem DJ Cleo und MGO. Wie viele, die auf dem Sampler Ayobaness! zu hören sind, kommen sie vom Kwaito, einer der vielen Spielarten des House, rhythmisch etwas ausgefallener. Ganz einfach zu unterscheiden sind House und Kwaito nicht.
Im ausführlichen Heftchen zur CD beschreibt Georg Milz, wie sich die Synthese von Lokalem und Globalem auch in der Mode vollzieht. Wo in den europäischen Clubs die Symbole multinationaler Sportartikelhersteller überwiegen, da tragen viele Menschen in den Townships von Johannesburg und andernorts Leibchen des südafrikanischen Popcorn-Herstellers Ama Kip Kip.
Die Townships wurden von den Rassisten eingerichtet, um die Kulturen (die sie mit der Hautfarbe gleichsetzten) zu trennen, Pufferzonen sollten die Trennung absolut machen. So tief die Gräben in der südafrikanischen Gesellschaft auch heute noch sind, in Bezug auf Alltagskultur ist Südafrika heute eine einzige große Pufferzone, der ständigen Konfrontation und Synthetisierung von Identitäten und Kulturen ausgesetzt. Möge sie überall so produktiv sein wie auf Ayobaness!
„Ayobaness! – The Sound Of African House“ ist bei Out Here Records/Indigo erschienen.
Während der WM treten Pastor Mbhobho und MGO auch in Deutschland auf: 1. 7. München, 2. 7. Berlin, 3. 7. Rudolstadt.