Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Blass und reichlich bieder

 

Marianne Faithfulls neues Album „Horses And High Heels“ lässt selbst hartgesottene Fans ratlos zurück. Swinging London ist eben nicht New Orleans.

© Indigo

Marianne Faithfull gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen: als Ikone des Swinging London, die mit hoher Mädchenstimme As Tears Go By singt, als drogenverbrauchendes Partygirl, in einer extralangen Absturzphase begriffen, schließlich, seit ihrem 1979er Album Broken English, als diseusenhafte Überlebende und allseits beliebte Klassikerin.

Ihr Gesang klingt seitdem so rostig rezitierend und Ehrfurcht gebietend, wie das sonst nur Männer wie Johnny Cash hinbekamen, doch auf Horses And High Heels sucht man vergeblich nach einer Spur von Charisma.

Das vom langjährigen musikalischen Begleiter Hal Willner produzierte Werk lässt selbst hartgesottene Fans ratlos zurück. Mit lokalen Musikern in New Orleans eingespielt, findet sich wenig von der Vitalität, die dieser Stadt so gern angedichtet wird. Auch Faithfulls Stimme bleibt seltsam blass und emotionslos.

Vieles klingt wie ein Rückblick auf das Amerika der siebziger Jahre: bodenständig, handgemacht, ländlich, rockend, aber eben auch reichlich bieder. Nur im düster brütenden The Stations zeigt sich noch einmal die Klasse des Vorgängers Easy Come, Easy Go.

Die kühle Europäerin Marianne Faithfull und die in saftigem Blues, Jazz und Rock verwurzelten Musiker aus New Orleans stammen aus unterschiedlichen musikalischen Welten – die hier leider nicht zusammenkommen.

„Horses And High Heels“ von Marianne Faithfull ist erschienen bei Naive/Indigo.

Aus der ZEIT Nr. 3/2010