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Zutiefst gestrig, wie schön

 

Das Trio Kitty, Daisy & Lewis meint es ernst mit seiner Rock’n’Roll-Nostalgie. Auf seinem zweiten Album „Smoking in Heaven“ harmonieren Seelenruhe und Sehnsucht.

© G. Durham

Stoizismus ist die Praxis individueller Selbstkontrolle innerhalb universeller Ordnungen. Echte Stoiker bringen die Beherrschung ihrer Gefühle fast zur Perfektion, was sie dieser Tage zu Antipoden falscher Nostalgiker macht. In Mode und Musik kommt Nostalgie ja bloß noch als launige Reminiszenz oder gleich ganz als Witz daher.

Womit wir bei Kitty, Daisy & Lewis wären. Oder besser: nicht. Die britischen Geschwister sind in ihrem hermetischen Weltbild klanglicher wie stilistischer Nostalgie unbedingte Stoiker und somit Beleg, wie gut Seelenruhe und Sehnsucht harmonieren können. Man muss es nur so ernst meinen wie das Trio auf seiner zweiten Platte Smoking in Heaven.

Mit betörender Langmut transponieren sie Rock’n’Roll und R’n’B, Ska und Swing, Vierziger und Fünfziger ins Hier und Jetzt. Bar jeder Anbiederung an moderne Hörgewohnheiten, klingen die 13 Stücke dabei zwar zutiefst gestrig – sind es aber nicht. Man muss nur das elegische Baby Don’t You Know nehmen, dessen Refrain im Finale dutzendfach über handgezählt 400 singuläre Snare-Anschläge nölt – in seinem Beharren auf einer guten Sache lässt sich das als Replik auf die Gleichförmigkeit heutiger R’n’B-Karikaturen hören. Die Monotonie der Gegenwart entspringt oft Einfallslosigkeit, die von Smoking in Heaven einem heiligen Ernst. So glücklich wie hier machte er selten.


„Smoking in Heaven“ von Kitty, Daisy & Lewis ist erschienen bei Sunday Best/PIAS.

Aus der ZEIT Nr. 23/2011