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Konstruktion im Proberaum

 

Vor vier Jahren erregte die Gruppe Battles großes Aufsehen mit ihrem komplexen Mathrock. Jetzt kehrt sie ohne Sänger, aber mit dem neuen Album „Gloss Drop“ zurück.

© Warp Records

Der Sänger ist weg. Tyondai Braxton hat die Battles im vergangenen Herbst verlassen, um solistisch mehr loszumachen. Was aber ist eine Band ohne Sänger? Queen ohne Freddie? Doors ohne Jim? Stones ohne Mick? Die Battles nehmen den Queen-Weg und haben sich für vier Tracks ihres zweiten Albums Gloss Drop Gastsänger eingeladen. Ansonsten ist das verlassene Trio einfach instrumentaler geworden.

Battles (ohne The, da legen sie Wert drauf), 2002 in New York von Musikern mit Metal-Vergangenheit gegründet, hatten nach mehreren EPs mit ihrem Albumdebüt Mirrored von 2007 einen ziemlichen Erfolg bei Kritikern. Der Nachfolger, im Winter 2009 begonnen, war fast fertig, als Braxton während des Abmischens ausstieg. Die verbleibenden Drei waren wild entschlossen, zitiert das Label den Schlagzeuger John Stanier: „Wir wussten, dass wir weiter machen würden. Es ging sogar so weit, dass mir alles andere egal war. Ich war bereit, meinen letzten Tropfen Blut in dieses Album zu stecken. Ich war nicht nur besessen davon, es fertig zu stellen, sondern es sollte auch wirklich gut werden. Es ist bei weitem das Beste, was ich in meinem Leben zustande gebracht habe. Es ist unser großes Statement.“

Ist es das? Das wird sich wohl erst nach ein paar hundert Durchläufen der CD wirklich sagen lassen. Erstmal steht fest: Dicht ist Gloss Drop, komplex, vielschichtig, detailreich. Schwer, anstrengend, nichts bei beginnender Migräne. Aber auch – und das ist neu bei den Battles, denen sogar die sonst nicht antiintellektuelle Spex einen „Ruf als verkopfte Mathrock-Combo“ bescheinigt – nicht todernst: Eine breite Spur Spaß zieht sich durch die zitatreichen Arrangements etwa der extraterrestrischen Schamanenhymne Sundome oder der funkigen Strand-Nonsensiade Ice Cream.

Die beiden Gitarristen (Ian Williams und Dave Konopka) und der nach Braxtons Demission zum Zentrum der Band avancierte Stanier füttern ihre Sounds in Synthesizer, triggern Samples, verschieben Bassläufe in Gitarrenhöhen und umgekehrt. Zwischen all den Loops und Finten ist Stanier die (schweiß)treibende Kraft. Auf Konzertbühnen hängt mindestens eines seiner kleinen Becken in absurder Höhe über dem Set und zwingt ihn zu ausholenden Gesten.

Braxtons Spuren hat die Band von den Bändern getilgt. Bei vier Songs dürfen ihn illustre Gäste ersetzen: Die Indierockerin Kazu Makino von Blonde Redhead, der Elektropunk-Darkwave-Veteran Gary Numan (einst Tubeway Army), der Dada-beeinflusste Vokalist der japanischen Boredoms, Yamantaka Eye, und der deutsch-chilenische Elektroexperimentierer und Underground-Party-König Matias Aguayo.

Was also fehlt? Braxtons hohe, schräge, nicht immer treffsichere (oder treffsicher um Mikrotöne verschobene) ungelenke Stimme gab der sonst so makellos mathematisch experimentierenden Band ein Element des – naja, Menschlichen. Allerdings ist bei den Battles eh nie so ganz zu erkennen, wer nun was zum Klangbild beiträgt. Die Gesangslinien fügen sich stets mehr oder weniger verzerrt, verfremdet und organisch ein. Falls organisch das richtige Wort ist für eine Band, bei der man Konstruktionszeichnungen an den Proberaumwänden vermutet. Immerhin hat jemand bunte Männchen draufgemalt.

„Gloss Drop“ von Battles ist erschienen bei Warp/Rough Trade.