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Schlabberige Funk-Rap-Rock-Pop-Kost

 

Eingängiges Zeug, aber keine Gewürze. I’m with you, das zehnte Album der Red Hot Chili Peppers, zeigt: Die Herren sind fad geworden.

© Warner

War ’ne klasse Fete: Ein Kumpel von einem Kumpel hatte beim zweiten Versuch endlich das Abi geschafft. Aus dicken Boxen wummerten die Red Hot Chili Peppers über den Schulhof, auf dem wir schon ab mittags soffen. Hinterher saßen wir bis zum Morgen im Park und versuchten, unseren billigen Nylonsaitenklampfen ein halbwegs erkennbares Under The Bridge zu entlocken.

Ewig her. Zwischenzeitlich haben die Peppers diverse Krisen durchlitten und Californication aufgenommen, ihr kommerziell erfolgreichstes Album. Sie haben Heroinabstürze hinter sich gebracht, Gitarristen verloren und wiedergefunden, Yoga gelernt, Alkohol, Nikotin und Fleisch aufgegeben. Ihre Socken tragen sie inzwischen wie andere Leute an den Füßen statt über dem Gemächt.

Um ihr neues Album I’m With You machen die Peppers einen ganz schönen Zirkus. Auf der Homepage zählten die Sekunden bis zur Veröffentlichung rückwärts. Promo-Exemplare gab es erst zum Erscheinungstag. Wer das Glück hatte, zu einem Probehören eingeladen zu werden, musste unterschreiben, dass er nichts vorher ausplaudert, sonst würden 5.000 Euro fällig.

Das alberne Affentheater hat wohl auch damit zu tun, dass von den einstigen Crossover-Champions seit fünf Jahren wenig Gutes zu hören war. Seit dem durchwachsenen Album Stadium Arcadium bringen die Peppers vor allem Querelen und Trennungsgerüchte hervor. Schlagzeuger Chad Smith geht seit 2008 mit dem hardrockigen Allstar-Projekt Chickenfoot fremd. Den Gitarristen hat die Band auch mal wieder verloren; diesmal ist John Frusciante wohl endgültig weg.

Übernommen hat Josh Klinghoffer, der als alter Kumpel Frusciantes nicht so weit von gewohnten Pepper-Pfaden abweicht wie in den Neunzigern der rockaffine Dave Navarro. Auf Tour ist er schon seit 2007 mit den Peppers zu hören. Dabei durfte Klinghoffer auch schon nebenbei tun, was er jetzt auf dem Album tut: Keyboards spielen und singen, auch mal als fistelige vermeintliche Backgroundfrau.

„Die Arbeit an I’m With You war die profilierteste Phase des Schaffens in der Geschichte unserer Band“, sagte Sänger Anthony Kiedis der Neuen Zürcher Zeitung. „Das ist selten – normalerweise macht man mit einem neuen Gitarristen mindestens eine Platte, bei der der Prozess unangenehm und ziemlich hässlich werden kann. Dieses Mal war es nicht so – höchstens in den ersten paar Tagen (…). Dann floss die Wahrheit so richtig.“

Die Wahrheit? Die Wahrheit ist: Die Chili Peppers sind fad geworden. Sie servieren schlabberige Funk-Rap-Rock-Pop-Kost, ein bisschen mehr Klavier und Keyboards als sonst, manchmal verspielt, ein paar womöglich sogar hitverdächtig solide Songs wie die erste Single The Adventures Of Rain Dance Maggie, Police Station oder Happiness Loves Company dazwischen. Eingängiges Zeug, keine Gewürze. Wird sich auch so nicht schlecht verkaufen, dafür garantiert schon Produzent Rick Rubin.

Nein, die Slap-Hand von Bassist Flea ist noch nicht altersschwach, auch wenn der in einem der schicken Viertel von Los Angeles eine Musikschule eröffnet hat und an der Uni Musikwissenschaften, Komposition und Jazz-Trompete studiert. Der Neue hat die Gitarre mindestens so gut im Griff wie Frusciante, wenn auch weniger aggressiv. Und dass Kiedis schon mal ausflippt, wenn zum Interview-Termin das falsche Mineralwasser gereicht wird, hört man seinem Gesang nicht an.

Aber jeder Schwung eines Give It Away ist weg. Wir feiern ja auch nicht mehr jede Nacht im Park durch. Man nennt das Reife. Manchen Musikern steht die. Den Red Hot Chili Peppers nicht.

„I’m With You“ von den Red Hot Chili Peppers ist erschienen bei Warner

Am 30. August spielen die Red Hot Chili Peppers das komplette neue Album und ein paar Greatest Hits in einer ungenannten mittelgroßen Konzerthalle in Köln. Tickets werden verlost und verschenkt, nicht verkauft. Das Konzert wird jedoch in Kinos in aller Welt gezeigt.