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Es gibt immer ein Pferd, das noch geritten werden muss

 

Jeff Bridges hat ein Country-Album aufgenommen. So überzeugend, dass man sich fragt, ob hier ein Musiker oder ein Schauspieler singt.

© Blue Note

Oje, noch ein singender Schauspieler. Immerhin, eine kleine Erleichterung, kein schauspielernder Sänger. Außerdem gelten für Jeff Bridges mildernde Umstände, weil er, erstens, Jeff Bridges ist. Zweitens doch schon immer gesungen hat. Und, drittens, das Album Jeff Bridges ziemlich großartig geworden ist.

Der schlichte Titel erweckt den Eindruck, als sei Jeff Bridges ein Debüt. Das stimmt zwar nicht. Aber dann doch wieder, denn der erste musikalische Versuch aus dem Jahr 2000, Be Here Soon, ging vollkommen unter. Vielleicht lag es daran, dass sein Folkrock mit Ausflügen in den Soul zwar extrem entspannt klang, aber damals wie heute eben auch nicht sonderlich notwendig.

Im Gegensatz zum neuen Album. Zwar hat die Welt auch auf ein Country-Album eines gefeierten Schauspielers nicht dringend gewartet, aber Jeff Bridges wirkt nicht wie ein Ausflug in fremde Welten, sondern als habe der 61-Jährige sein Geld in den vergangenen Jahrzehnten nicht in Hollywood, sondern in Nashville verdient.

Ein paar Mal musste Bridges in seinen Filmen bereits singen, so in Die fabelhaften Baker Boys ein Duett mit seinem Bruder Beau. Für das neue Album aber schlüpft Bridges sehr erfolgreich in eine andere seiner Rollen: In die des alkoholkranken, verbitterten Countrysängers Bad Blake aus Crazy Heart. Dieser Film war wohl zu amerikanisch, um hierzulande ein großer Erfolg zu werden. Aber dem insgesamt schon sechs Mal nominierten Bridges brachte sie seinen ersten und bisher einzigen Oscar ein.

Den zweiten Oscar gewann Crazy Heart für seinen Filmsong The Weary Kind. Geschrieben hatte das Stück T-Bone Burnett, früher einmal Gitarrist bei Bob Dylan, später Produzent von Hitalben für Elton John, Counting Crows, K.D. Lang oder Robert Plant. Und jetzt auch verantwortlich für Jeff Bridges. Unter der Regie von Burnett singt Bridges nun ganz selbstverständlich nachgerade klassische Country-Songs wie das eher fluffige What A Little Bit Of Love Can Do oder das knorrigere Maybe I Missed The Point, als wäre er ein Kris Kristofferson (der ja selbst ein paar mal recht erfolgreich schauspielerte) oder Willie Nelson (der auch auf der Leinwand zu sehen war, meistens aber nur sich selber spielen durfte).

Ganz in der Tradition dieser Country-Institutionen taucht Bridges aber immer wieder ab in menschliche Abgründe. Am tiefsten im bitterbösen Slow Boat, durch das sich die fiese Gitarre T-Bone Burnetts grummelt, während Cowboy Bridges murrt, dass es ein Pferd geben könnte, das er noch reiten muss. Das langsame Boot ist er natürlich selbst, „all I know is I still float„, murmelt er, und dass er den Fluss hinunter treibt, auf der einen Seite weinen sie, auf der anderen dämmern sie bloß noch dahin.

Das erinnert an die Filmrolle, für die Bridges seine letzte, schlussendlich erfolglose Oscar-Nominierung erhielt. Hätte der Rooster Cogburn aus True Grit gesungen, was Rooster Cogburn natürlich nie tun würde, dann hätte er sehr wahrscheinlich so geklungen. Das Talent von Jeff Bridges, ob vor der Kamera oder jetzt vor dem Mikrofon, ist es aber, noch die größten Klischees liebenswert auszufüllen und seine Charaktere nie zur Karikatur verkommen zu lassen. Vielleicht ist Jeff Bridges ja bloß ein Schauspieler, nur ein Musikerdarsteller. Aber eben ein sehr guter.

„Jeff Bridges“ ist bei Blue Note/ EMI erschienen.