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Singen über Konvertierungsprobleme

 

Wie wird aus dem PDF ein JPG? Die israelische Indierockband Umlala stellt die drängenden Fragen der Technikgesellschaft und bringt damit ihr Heimatland auf die popmusikalische Landkarte.

© Snowhite

Nein, es sollte keine Rolle spielen, in welchem Kontext Musik entsteht. Das Hören ist erst mal arglos, neutral. Grundsätzlich, idealerweise, na ja.

Was schert es die Ohren, dass eine Sängerin erst 15 ist wie unlängst das schichtentiefe Coverwunder Birdy? Was ändert es am Spaß, dass die Arctic Monkeys ihr wegweisendes Debütalbum einst ohne Kenntnisse der verwendeten Instrumente aufgenommen haben sollen? Und was bitte bedeutet es für die erste Platte der Indierockband Umlala, dass die Indierocker Josef, Orel, Yuvel, Nir und Omri heißen, dass die vielen Trompeter, Geiger, Glockenspieler dazu Namen wie Silberstein, Herz oder Abramov tragen? Dass sie alle aus Israel stammen, einem Land, das Musikliebhaber abseits eingeweihter Kreise gemeinhin nicht mit Kreativität jenseits von Folklore verbinden?

Es bedeutet, ändert, schert wenig. Und eine Menge. Wer kann nämlich schon aus seiner phänomenologischen Haut und schafft es, Musik frei von Herkunft, Genealogie und Umständen zu konsumieren? Dass dieses zur Bigband aufgeblähte Quintett aus Jerusalem stammt, diesem historiensatten, krisenerprobten, so streitbaren wie umstrittenen Ort, kann man schlechterdings nicht trennen von seinem kunterbunten Trashpop.

Und vielleicht sollte man es auch gar nicht. Vielleicht spielt ja der religiöse Konservatismus daheim, die kulturellen, politischen, sozialen Restriktionen eines umzingelten Landes eine zu gewaltige Rolle nicht nur im Alltag der Menschen, sondern auch in ihrer Musikalität.

Umlalas Stand Go Show Shout jedenfalls quillt schon deshalb förmlich über vor Inspiration, vor Spielerei und Theatralik, weil es für Künstler außerhalb des angloamerikanischen Stammesgebiets der Popkultur so überaus schwer ist, mit konventioneller, massentauglicher Ware Gehör zu finden, geschweige denn Anerkennung und Ruhm. Bleibt also nur der Weg in die Besonderheit. Strikte Subkultur. Massenuntauglichkeit. Daraus haben Umlala überdrehten Britpop geschaffen, der zeigt, was in ihm steckt, wenn er als Gefäß verstanden wird, nicht als Schablone.

Umlala stopfen dort schließlich alles hinein, was ihr gutes Dutzend Instrumente – von der glasklaren E-Gitarre übers unterschwellige Cello bis zur effektreichen Orgel – so hergibt. Stand Go Show Shout, dieses aufregende Werk aus der popmusikalischen Diaspora, bringt jenen Wagemut vom Rand der Massenkultur mit, der den ungezählten britischen Gitarrenbands zusehends fehlt. Die Schweizer 7 Dollar Taxi, Rubik aus Finnland oder Ja Panik (Österreich) zeigen den Arrivierten aus den Kernzonen ihres Musikstils, was darin mit dem unbedingten Willen zum Bruch noch geht. Etwa wenn das Eröffnungsstück Baby Yog mit wirren Gitarrenläufen einsteigt, wenn durch Please gleich darauf Bontempigefrickel huscht, wenn über allem Josef Laimons übersteuerter Antigesang klebt.

Dieser Weg ist konsequent auf Unpopularität plus Aufmerksamkeit gebaut. In Israels Underground reicht das zu einer treuen Fanbase; international beginnt ihre Reise in die Wahrnehmung erst viele Jahre nach der Bandgründung und wird nach menschlichem Ermessen nie dort ankommen. Schade eigentlich. Und schön. So haben eingeweihte Kreise was Wunderbares für sich.

„Stand Go Show Shout“ von Umlala ist erschienen bei Snowhite.