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Monsterbässe aus dem Mesozoikum

 

Orlando Higginbottom macht Musik für hippe, tanzwütige Riesenechsen. Als Totally Enormous Extinct Dinosaurs ist er ziemlich umtriebig und liebt große Kostüme.

© Universal Music

Fast jeder Junge macht irgendwann die Dinosaurier-Phase durch. Die ist aber meist mit Beginn der Pubertät vorüber. Nicht so bei einem schmächtigen Mittzwanziger aus Oxford namens Orlando Higginbottom, der erst kürzlich zu Hause ausgezogen ist. Seinem bürgerlichen Namen nach klingt der Musikproduzent nach Mittelerde, sein Pseudonym aber verweist aufs Erdmittelalter: Totally Enormous Extinct Dinosaurs. Ein Faible für ausgestorbene Reptilien zeigt er auch auf der Bühne. Dort trägt er selbst geschneiderte Riesenechsenkostüme.

Bunter Konfettiregen, Luftballons, ekstatische Tänzerinnen – diese One-Man-Show gleicht einer ausgelassenen Geburtstagsparty. Auf Higginbottoms Kopf türmen sich indianische Federhauben, und wenn er nicht mit seinen Synthies hantiert, singt er mit gleichmütigem Gesichtsausdruck ins Mikrofon. Nach diversen EPs und Remixen für Katy Perry und Lady Gaga bringt er nun sein Debütalbum Trouble heraus.

Higginbottoms Versuch, ein Dance-Album ohne Verfallsdatum zu produzieren, ist durchaus beeindruckend. Seine Chorknabenstimme bildet einen netten Kontrast zu den mächtigen Beat- und Bassgewittern. Die Musik belegt seine vielfältigen Einflüsse: die jugendliche Begeisterung für Drum’n’Bass und den House eines Kerri Chandler oder Curtis Jones. Dazu die Klassik-Dauerbeschallung als Kind eines Musikprofessors für französische Barockmusik.

Sein grenzüberschreitender Mix aus Elektro, Synthiepop und House klingt frisch und massenkompatibel, ohne zu sehr auf die Charts zu schielen. Hip und avantgardistisch zugleich – das ideale Album für Berliner Clubnächte. Bloß die Texte lassen zu wünschen übrig, kommen sie doch nur selten über die gängigen Dance-Floskeln hinaus: „All I ever wanted / Was to be with you / Feels good / Just right / Don’t let me down / I’ve been working so hard„, schmettert eine Frauenstimme in Your Love und man wähnt sich in besten Eurodance-Zeiten.

An anderer Stelle singt Higginbottom selbst über einsam durch den Raum wirbelnde Blieps oder gleichbleibende Synthietöne, trommelt auf Plastikeimern und sucht unter seinem Bett nach der großen Liebe. Hier eine Gitarre, dort eine Trompete, Vogelgezwitscher, karibische Steel Pans, pumpende Bässe – Musik, zu der man sowohl daheim entspannen oder aber völlig abgehen kann.

Zugegeben, mit einigen Songs bleibt Higginbottom auf der sicheren Seite, manches wirkt unentschlossen, zu monoton. Die meisten Tracks überzeugen jedoch, auch durch den Gesang von Luisa Gerstein, sonst Stimme der Popfolk-Band Lulu And The Lampshades. An knapp der Hälfte des Albums war außerdem der Londoner Komponist Edmund Finnis beteiligt.

Es ist ein ausufernder Trip durch die elektronische Tanzmusik. Sogar George Clinton mit seinen Funkadelic taucht auf und gibt das Motto vor: „Feet don’t fail me now!“ Einer der Höhepunkte ist American Dream Part II, ein spaciger Track mit Rhodes-Piano, der mal nach Jean Michel Jarre klingt, mal wie Captain Futures Raumschiff Comet. Am Ende des Albums geht’s durch den Zeittunnel zurück ins Mesozoikum: Eine Stechmücke schwirrt durch die Gehörgänge, während ein Sturm aus Monsterbässen vorüberzieht. Den mächtigen Beat besorgt ein Tyrannosaurus, der über die Tanzfläche stampft. Von wegen ausgestorben.

„Trouble“ von Totally Enormous Extinct Dinosaurs ist erschienen bei Universal.