Sonnenstrahlen sind da keine. Der Pop von Deerhunter leuchtet trotzdem grell und taumelt zwischen pompösen Melodien und ausgelassenem Krach.
Zuletzt waren Deerhunter aus Atlanta richtig erfolgreich. Vor knapp drei Jahren erschien Halcyon Digest, ein charmant melodieberstendes Album, darauf hatten sich sogar eineinviertel kleine Hits namens Revival und Memory Boy versteckt. Genug Erfolg jedenfalls, um hohe Erwartungen an das nächste Werk zu wecken. Allerdings steht Deerhunter überhaupt nicht der Sinn danach, diese zu erfüllen. Das ist nun auf Monomania nachzuhören.
Kurz meint man anfangs gar, es hier eher mit Sonic Youth zu tun zu haben; da torkeln die Gitarren uneins über den Neon Junkyard, da rumpelt es eben ganz gehörig, und im Hintergrund scharrt ein furchterregendes Tier mit den Hufen. Dann zerteilt die nasale Stimme von Bradford Cox wie eine Machete das Dickicht, begleitet von den typischen Hieben in die Saiten der Akustischen schnarrt und poltert er, dass es eine Freude ist.
Großartig klingt Monomania: wankend zwischen den pompösen Melodiebögen ihrer vorherigen Alben und dem Spaß am ausgelassenen Krach. Hinter jeder Harmonie lauert der Missklang, hinter jedem Ausbruch eine versöhnliche Geste. Fast scheint es, als müssten sich Deerhunter nach Halcyon Digest erst einmal Platz schaffen um die Ellenbogen. Schmiegten sich die meisten Songs da noch sanftmütig an, so scheppert es nun vor allem in den ersten paar Minuten ganz gehörig, ganz unerwartet.
Erst später, als die jüngst gewonnenen Zuhörer möglicherweise verschreckt sind, kommt Monomania tatsächlich ein wenig zur Ruhe, erstmals in The Missing, dann in T.H.M. Das sind hübsche Lieder, hier wirken sie deplatziert, so glatt, so direkt. Denn zumeist stehen da Kanten, rau und ungeschliffen. Irgendein Instrument klingt immer leicht übersteuert, oft auch die Stimme von Bradford Cox. Den Schellenkranz weglegen? Pah.
Es heißt, das Album sei vor allem nachts geschrieben und aufgenommen worden. Das glaubt man gern. Und die Platte sieht aus, wie sie klingt: Grellrot leuchtet eine geschwungene Neonröhre, grell blitzen auch die Lieder gegen das Dunkel der Nacht an. Ja, selbst das unstet sphärische Zischen und Klackern der Röhren kann man hören. Sonnenstrahlen sind da keine.
Am heftigsten blitzt es im Titelstück, da gerät die Band in Ekstase. Monomanisch knallen den fünf Jungs hier die Sicherungen durch, sie hämmern den Viervierteltakt und beschwören die Monomania wohl tausend Mal, „Monomonomania, monomonomania, monomonomania, monomonomania…„, unendlich. Schwierig, den weiteren Versen einen Sinn zu geben. Als sich der Sturm schließlich legt, knattert ein Moped vorbei.
Vielleicht wird so ein Schuh draus: Auf ihrer Internetseite zitieren Deerhunter den französischen Dramatiker Jean Genet. „To achieve harmony in bad taste is the height of elegance.“ Übersetzt man sich den schlechten Geschmack mit Ungeschliffenheit und Unwohlklang, dann passt es. Und deutet man Deerhunters Wirken als den Versuch, sich der kapitalistischen Nutzbarmachung selbst des Hässlichen zu widersetzen, dann hört man solcher Eleganz gleich noch lieber zu. „Dreaming is nursed in darkness“ – „der Traum gedeiht nur in der Finsternis“, schrieb Genet an anderer Stelle. Das würde als Motto zu Monomania sogar noch besser passen.
(Und wenn Ihnen das hier gefällt, dann hören Sie sich ruhig einmal Spooky Action At A Distance von Deerhunters Schwesterband Lotus Plaza an.)
„Monomania“ von Deerhunter ist erschienen bei Beggars.