Klingt so die Akopalüze? Helge Schneider rührt wieder die Trommel und spielt die Katzenjammergeige. Auf seinem neuen Album „Sommer, Sonne, Kaktus“ schräg wie eh und je
Es ist immer dasselbe mit Helge Schneider, er macht ständig was Anderes und doch stets das Gleiche. Jetzt mal wieder ein Album, das erste seit mehr als sechs Jahren. Und zumindest der Titelsong hat das Zeug zum Katzeklo-Nachfolger, zum Sommerohrwurm, der sich ins Hirn dreht, bis es schmerzt: „Sommer, Sonne, Kaktus, Paella in ze Bauch / Blauer Himmel, gute Laune, ja das ist ze Brauch.“
Was Schneider nun ist – Schlagersänger, Jazzgenie, Schriftsteller, Filmkomödiant, Clown –, darüber streiten die Gelehrten. Dabei ist es ganz einfach: Helge Schneider ist einer, dem egal ist, ob er als Jazzgenie, Clown oder sonstwas gilt. Und dem die Gelehrten sonstwo vorbeigehen. Dass ein Online-Magazin sein erstes Album „altersweiße“ nennt, darüber dürfte er sich scheckig lachen, so scheckig wie sein inzwischen altersweißer Bart.
Schneider musste zuletzt ein bisschen kürzertreten. Der Titel seines vorigen Studioalbums I Brake Together erwies sich als unheimlich prophetisch, eine Tournee 2011 brach er nach Schwächeanfällen ab. Man kann ihn sich nicht wirklich als Workaholic vorstellen, aber nichtsdestotrotz fordern all die Alben, Filme, Bücher, Konzerte ihren Tribut. Irgendwann kommt die Akopalüze.
Umso schöner, dass auf dem neuen Album alles so flockig daherkommt, als habe der „Ruhrpott-Gott“ (PR-Text) sich mal eben mit ein paar Kumpels zum Jam im Hinterhof einer grasbewucherten Industrieruine zusammengefunden. Als hätten sie, womöglich leicht angeschickert, mit Akkordeon und Wimmerwummerorgel, Second-Hand-Saxofon und Leihhaustrompete, Katzenjammergeige und Standbass, Percussions und Klampfe in Kollektivimprovisation zum Beispiel das genialische Nachtigall, huh (Gangnam Style!) zusammengeklöppelt
Aber Helge hat alle Instrumente eigenhändig in seinem Studio in Mülheim und „seiner spanischen Hütte“ (so schreibt die Plattenfirma) eingespielt. Das von Kakteen umstandene Ferienhaus habe ihn zum Titelsong inspiriert, der allerdings eher ein Lied für Daheimgebliebene ist: „Doch leider hier in Duisburg / muss ich ins Hallenbad gehen.“
Manchmal nuschelt er dazu wie ein schrulliger Kauz, dessen Bierflasche sein einziger Zuhörer ist, und massakriert Klassiker wie Mr Bo Jangles und Somewhere Over The Rainbow (das zum Ausgleich ein herrliches Saxofonsolo bekommt). Manchmal lässt er eine überraschend klangschöne Stimme durchschimmern und scattet – „dubi dubi Abu Dhabi“ – gnadenlos durch selbstgeschriebene Jazzklassiker (To Be A Man). Und manchmal röchelt er wie Tom Waits (Drinking Blues). Die Nachpolitur im Tonstudio fiel absichtlich weg.
„Ich will ja nicht ernst genommen werden. Hauptsache ich habe Spaß“, sagt Schneider über Schneider. Manchmal muss er immer noch selbst über sich lachen.
Drei der Songs werden sich im Soundtrack zu Schneiders nächstem Film wiederfinden: 00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse, im Oktober in den Kinos. Aber erstmal geht Helge Schneider wieder auf Tour. Dann darf er zeigen, dass er bei allem, was er macht, immer derselbe ist: der schrägste Entertainer der Republik.
„Sommer, Sonne, Kaktus“ von Helge Schneider ist erschienen bei We Love Music/Universal.