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Fiese Bässe für fiese Bosse

 

Die Plattenfirma wollte es böse. Nun ist das vierte Album von M.I.A. erschienen und man weiß gar nicht, wann und wie man es hören soll. Soviel Krawall und vertonte Baustelle – eine Hommage an Berlin?

© Daniel Sannwald
© Daniel Sannwald

Voll! Auf! Die! Zwölf! M.I.A. ist wieder da, ihr viertes Album Matangi zerfetzt die Tieftöner und man steht mitten auf der Baustelle: Es dröhnt und scheppert, wummert und fiepst, rauscht und knarrt, ständig geht etwas zu Bruch, überall liegt irgendwas rum. Alben von M.I.A. wirken irgendwie unaufgeräumt.

Auch das ist wie auf der Großbaustelle: Fertig sein sollte Matangi schon vor einem Jahr. Im August 2012 hatte sie die baldige Veröffentlichung angekündigt – und dass das Album klänge wie „Paul Simon auf Acid„. Gerüchte sagen: Der Plattenfirma gefiel das Album nicht, es sei den schlechtgelaunten Bossen zu fröhlich gewesen. Erst nachdem M.I.A. gedroht habe, es selbstständig ins Internet zu stellen, habe das Label eingelenkt. Ob die ursprüngliche und die jetzt erschienene Version sich unterscheiden, bleibt unklar.

Fröhlich ist Matangi jedenfalls tatsächlich an keiner Stelle. Euphorisch ja, manches Dur deutet Optimismus an, aber Frohsinn? Nein. Wie gewohnt spuckt sie Gift und Galle gegen das Schlechte auf der Welt, schießt Feuerpfeile gegen Regierungen und Konzerne und gibt auch den Kollegen gern mal einen mit. Sie hat ja recht. Was auf dem letzten Album /\/\ /\ Y /\ im Jahr 2010 noch wie eine paranoide Verschwörungstheorie klang, ist heute nicht einmal mehr ein Geheimnis: „Der Schädel ist verbunden mit dem Kopfhörer, der Kopfhörer mit dem iPhone, das iPhone mit dem Internet, das Internet mit Google, Google mit der Regierung“, sang sie in The Message. Die NSA hört alles und jeden ab? M.I.A. hat das schon immer gewusst.

Textlich ist Matangi meist schwer zu ertragen, musikalisch ist es fast so mitreißend wie ihr Debüt Arular, übervoll von originellen Samples und absurden Brüchen. Während sie also etwa in Bad Girls reichlich bedeutungsloses Zeug vor sich hin reimt („Get back, get down, pull me closer if you think you can hang. Hands up, hands tied, don’t go screaming if I blow you with a bang„) und Plattitüden wie „live fast, die young“ bemüht, verschweißt sie im Hintergrund ganz kunstvoll verhallte, pralle Beats mit nervösen Bollywoodschnipseln. Das Musikvideo wiederum ist Blödsinn hoch zehn, eine abgeschmackte Fantasie von weiblicher Intifada in dicken Schlitten.

Auch das Leitmotiv des Albums, die hinduistische Göttin Matangi, verleiht der Sache nicht mehr Tiefe. Tatsächlich ergeht sich M.I.A. immer wieder in einer etwas käsigen Spiritualität. Ihre Antwort auf Drakes YOLO heißt YALA – „You always live again„. So sei das eben in ihrem Land, und ihr Land ist hier wohl Sri Lanka. Dort lebte sie als Mathangi Arulpragasam bis zu ihrem zehnten Lebensjahr. Seit 1985 ist London ihr Zuhause. Auf den Rapper Drake scheint sie ohnehin nicht gut zu sprechen sein, er bekommt auch an anderer Stelle sein Fett weg.

Es ist ein schmaler Grat, auf dem M.I.A. wandelt – aber das tut sie erfolgreich seit nun zehn Jahren. Kompromisse geht sie nach wie vor wenige ein. Allenfalls die lahme Kooperation mit The Weeknd in Exodus könnte man als Zugeständnis an die Plattenfirma interpretieren. Aber da ist das Album schon halb durch und das Radiopublikum hat längst abgeschaltet.

Bei aller Käsigkeit und Bräsigkeit ist Matangi eine gute Platte, aber auch ungeheuer anstrengend. Die Bässe übersteuert, die Sängerin auf Krawall gebürstet, da stellt sich vor allem eine Frage: Wann bitte soll man sich so was anhören? Die Lautsprecher im Auto spielen da nicht mit, zu Hause werden die Kinder hyperaktiv zu solchem Gedröhne. Entspannen? Ha. Und allein tanzen kann man dazu auch nicht. Matangi ist eine dieser Platten, die man sich kauft, um sie schließlich im Regal verstauben zu lassen. Das hätte immerhin den Vorteil, dass man das ausgesprochen hässliche Cover nur selten zu Gesicht bekäme.

„Matangi“ von M.I.A. ist erschienen bei Universal.