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Erichs Rampenbarden

 

So viel Osten im Westen: Die Düsseldorfer Band Broilers füllt die Mehrzweckhallen mit pathetischen Stehauf-Hymnen im Punkgewand. Die Freundschaft mit den Toten Hosen hört man ihr leider an.

© Robert Eikelpoth
© Robert Eikelpoth

Um die Broilers zu verstehen, hilft es, die Band auf der Bühne erlebt zu haben. Man muss das einmal gesehen haben, wie Sammy Amara vor lauter Kraft kaum stehen kann. So muskelbepackt wie seine Oberarme, so gestählt klingen auch die Gitarrenriffs seiner Band. So selbstbewusst der Sänger sich im ärmellosen Unterhemd präsentiert, so ungebrochen transportiert er auch auf Noir, dem neuen Album der Broilers, in seinen Texten ein Männerbild aus dem vergangenen Jahrtausend. Aber was soll man schon erwarten von einer Band, die heißt wie ein ostdeutsches Grillhähnchen?

Amara kann auch das Sensibelchen herauskehren. „Ist da jemand? Jemand da draußen, der so fühlt wie ich?“, fragt er gleich im Eröffnungssong, „ist da jemand? Jemand da draußen, der mich hört?“ Ja, muss man da antworten, immer mehr hören dich. Das letzte Album Santa Muerte stieg 2011 auf Platz drei ein und hielt sich immerhin 20 Wochen in den deutschen Charts. Für die kommende Tournee sind die mittelgroßen Hallen der Republik gebucht und zum Teil bereits ausverkauft.

Nach ihrer Gründung 1992 bespielten die Broilers, dem Oi in ihrem Namen verpflichtet, zuerst Punks und Skinheads mit möglichst schlichter Musik, bevor sie begannen, Ska und Rockabilly zu integrieren. Dass die Broilers mainstreamfähig werden konnten, lag allerdings nicht zuletzt daran, dass sie von den ebenfalls aus Düsseldorf stammenden Toten Hosen unter die Fittiche genommen wurden. Die Bands sind befreundet, Amara arbeitete als Grafikdesigner für die Hosen, die Platten der Broilers erschienen zwischenzeitlich bei JKP, dem Label der Hosen, und wenn Campino und Co. auf Tour gingen, durften die Broilers die Einheizer spielen.

So eng die beiden Bands sind, so nahe sind sie sich mittlerweile auch musikalisch. Auf dem fünften Album Noir, das Vincent Sorg produziert hat, der auch für den Sound des letzten Tote-Hosen-Albums Ballast der Republik verantwortlich war, sind sie sich so nah wie womöglich noch nie. Hier wie dort werden Refrains gern mit Oh-Oh-Oh- oder Ho-Ho-Chören unterstützt. Der Schlagzeuger haut stets kräftig auf die Eins, die Gitarren brettern – abgesehen gelegentlichen obligatorischen Balladen – mit der Finesse eines Zwölfeinhalb-Tonners und das Pathos ist meterdick aufgetragen.

Verdammt männlich knarzt nicht nur das Klangbild. Den Protagonisten in Samaras Songs ist garantiert „Scheiße widerfahr’n“, sie sind „die Letzten an der Bar“ und das Wasser steht ihnen „schon bis zum Knie“. Nein, es geht uns gerade nicht so gut: „Was früher Luft und Liebe war“, singt Samara, „ist heute Rauch und Fickerei“.

Die Broilers aber hätten nicht den Erfolg, den die haben, wenn sich die Kundschaft nach dem Konzert aufhängen würde. Also liefern sie auch gleich die Wiederaufsteh-Hymnen und Songs über die Kunst des Immerweitermachens. „Wer ich bin und was mit mir passieren wird, das entscheide ich allein“, singt Samara und man kann sich gut vorstellen, wie ein paar Tausend alkoholisierte Männer das im Chor mitsingen. „Die Hoffnung stirbt zuletzt – nein, die Hoffnung stirbt nie“, versichert er seinen Hörern und gibt die Weisung aus: „Nie zurück, nur nach vorne geh’n!“ Hier schließt sich der Kreis: Wie der Bandname, den sich die Broilers vor 22 Jahren gaben, so stammt auch diese Losung aus der ehemaligen DDR: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“, forderte einst ein gewisser Erich Honecker.

„Noir“ von den Broilers ist erschienen bei People Like You Records/Universal.