Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Baby, warum hast Du mich verlassen?

 

Nina Persson könnte auch die Artenschutzliste vortragen – Verzückung! Auf ihrem ersten offiziellen Soloalbum widmet sich die Cardigans-Sängerin trotzdem den üblichen Herzpopthemen.

© Lojinx
© Lojinx

Sie kann einem viel erzählen. Offiziell handelt das erste Album, das Nina Persson unter ihrem eigenen Namen veröffentlicht, von den Abschieden und Verantwortungen des Älterwerdens, vom Losreißen und Loslassen und davon, vielleicht doch noch mal kurz festzuhalten. Die Schwedin singt so ausführlich und sanft über Herzensdinge, dass man sich am liebsten abwenden würde – täte sie es nicht mit dieser Stimme.

Schon bei den Cardigans, die aktuell nach langer Pause immerhin mal wieder touren, zeigte Persson Geschick und Talent, in großen Popsongs ganz mühelos himmlisch klare Bögen zu spannen, um dann zum Zucken einer Augenbraue ganz tief unten zu landen. Zuletzt veröffentlichte ihre Band 2005 Super Extra Gravity, ein jubelndes Indiepopalbum, das doch immer wieder unangepasst hickste. Einen Song etwa I Need Some Fine Wine And You, You Need To Be Nicer zu nennen und mit Hundekommandos auszuschmücken, hätte nicht jedem so gut gestanden. Persson grinst da nur.

Die Tiere dürfen nun auch Animal Heart wieder mitspielen. Doch das Album verlässt sich nicht auf die klassische Gitarrenbandbesetzung mit Keyboardhilfe oder auf zurückgelehnten Folkpop, wie ihn Persson als A Camp mit ihrem Mann Nathan Larson produziert. Ihre Stimme tänzelt jetzt auf allerfeinstem Synthiepop. Mal wünscht der sich, wie im Titelsong, zurück in die Achtziger. Mal setzt er sich zur Ballade ans echte Klavier, ganz selten verhelfen ihm elektronische Beats zur Lykke-Li-Aktualität. Auch wenn Persson sich hier zeitgemäß darstellt, fällt ihre Musik nicht der Vergänglichkeit anheim.

Besonders zwingend wirkt Animal Heart trotzdem nicht. Statt ihrem wilden Herzen den Freilauf zu lassen, den sie ihm zu Beginn verspricht, verirrt sich die Sängerin in schönen Klischees. Da zwinkert das Vibraphon zum butterweichen Klavier, und anstatt dagegenzustolpern, übt sie weiter ihr charakteristisches Stimmvibrato. Wie eine Kickdrum schlage das Herz, behauptet sie, und lässt dann nur blasses Synthiegeplinker folgen. „Oh baby, why did you leave me?„, fragt sie die älteste Frage des Liebeskummerpop, „didn’t you need me?„. Auch das würde man jeder anderen genau so schnell verbieten wie die folgende Schmonzette Clip Your Wings.

Man muss Nina Persson schon kennen und mögen, um sie auf ihrem Soloalbum wiederzufinden. Muss wissen, dass es sich lohnt, auf die Momente zu warten, in denen ihre Stimme sich doch wieder so gelassen von den höchsten Tönen in die tiefsten fallen lässt, als würde sie sich dabei die Nägel lackieren. Man muss würdigen können, dass sie immerhin ein belangloses kurzes Interlude Digestif genannt hat, auch wenn sie auf dem restlichen Album so brav und unbeschwipst bleibt. Muss aber eben auch erkennen, dass sie bei all dem Gerede von Brüchen, Aufbrüchen und Trennungen gar nicht vorhat, sich von Kleinigkeiten aufscheuchen zu lassen. „You’ll never catch me crying for you, my friend„, stellt sie fest. Auch ein Streunerherz hat gern mal seine Ruhe.

Und schließlich muss man erkennen, dass ein etwas kantenloses Soloalbum von Nina Persson immer noch besser ist als gar nichts Neues von den Cardigans. Man darf wohl ausgehen, dass sie ihrer Band so schnell nicht wegläuft.

„Animal Heart“ von Nina Persson erscheint bei Lojinx.