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Breitwandpop geht auch ohne Coldplay

 

Das britische Quartett Metronomy kann nicht stillhalten. Auf ihrem Album Love Letters erfindet sich die Band schon wieder neu. Wo soll’s denn hingehen, bitte?

© Gregoire Alexandre
© Gregoire Alexandre

AC/DC werden ausdrücklich dafür geschätzt, dass sie immer dasselbe machen. Das ist ein sehr einsames Privileg. Alle anderen Bands sollen sich ständig weiterentwickeln, an sich arbeiten, Veränderungen vorweisen. Da Stillstand nur in Ausnahmefällen als Qualität gilt, sind Metronomy die Band der Stunde. Denn auf ihrem aktuellen Album Love Letters geben sie nicht nur ihr jüngstes Erfolgsrezept auf, sondern nehmen die etwa sechste oder siebte Kurskorrektur in einer noch nicht wahnsinnig langen Historie vor.

Gegründet wurden Metronomy 1999, allerdings noch als Ein-Mann-im-Wohnzimmer-Projekt von Joseph Mount im beschaulichen, keine achttausend Einwohner zählenden Totnes in Devon. Seitdem sind Metronomy zum Quartett gewachsen und ein paar Mal über Brighton bis schließlich nach London umgezogen. Noch wichtiger: Musikalisch haben sie sich von spinnerten Elektro-Instrumentals zum so eleganten wie intelligenten Breitwandpop entwickelt. Für ihr 2011 erschienenes Album The English Riviera wurden sie von den Kritikern zu Nachfolgern von Steely Dan erklärt, vom Publikum ausgiebig geliebt und schließlich auch für den Mercury Prize, den britischen Grammy, nominiert.

Sowohl Elektronik als auch Steely Dan sind auf Love Letters immer noch gern gesehene Gäste. Sie schauen vorbei, bekommen auch etwas zu trinken, aber den Ton auf der Party geben andere an. Computer-Rhythmen tuckern freundlich, werden dann aber von einer akustischen Gitarre eingewickelt. Das Titelstück beginnt mit einer kleinen Aufwärmübung des evangelischen Posaunenchors, und das anschließende Month Of Sundays macht einen Ausflug in die achtziger Jahre und die damals vorherrschenden Klanglandschaften aus verzerrten Gitarren und melancholischen Gesangsmelodien.

In einem Interview mit der britischen Tageszeitung Guardian hat Joseph Mount behauptet, er hoffe, seine Band werde niemals solch große Erfolge feiern wie Coldplay. Was das bedeutet, hatten Metronomy studieren können, als sie 2012 für einige Stadionkonzerte in den USA den Einheizer für die Schmalzpopkönige spielen durften.

Die Absage an den Erfolg mag Koketterie gewesen sein, aber Love Letters ist tatsächlich nicht geeignet, demnächst an die Spitze der Charts zu stürmen. Selbst die Singles I’m Aquarius und Love Letters torpedieren ihre durchaus vorhandene Eingängigkeit durch kunstvoll dahinrollende Monotonie. Andere Stücke verlieren sich in barocken Harmonien, verwirren mit Klangexperimenten, kombinieren einen Funk-Bass mit Kinderliedmelodien oder vergessen vor lauter Ideen, wohin sie ursprünglich einmal wollten.

Nein, Eindeutigkeit ist nicht die Sache von Metronomy. Das macht Love Letters zu einem ungemein spannenden Hörerlebnis, wirft aber auch die Frage auf: Wie soll das weitergehen? Wie können Metronomy, so unentschlossen sie sind, demnächst wieder einmal die Richtung wechseln? Vielleicht sollten sie es mal als AC/DC versuchen.

„Love Letters“ von Metronomy erscheint am 7. März bei Warner Music.