Spoon sind das unversöhnliche Rock’n’Roll-Gewissen der USA. Auch ihr neues Album verbietet sich jede Altersmilde und zeigt die Band doch als große Soul-Gönner.
Der texanische Rockmusiker Britt Daniel hat viele Stärken. Vergeben und Vergessen gehören nicht dazu. Als seine Band Spoon Ende der neunziger Jahre mit dem einzigen Major-Label-Album ihrer Karriere floppte und von ihrem Förderer Ron Laffitte fallengelassen wurde, schrieb Daniel gleich zwei eindeutig adressierte Songs über den Talentscout. 2002 folgte Jonathon Fisk, ein ebenso explizites Stück, in dem der damals 31-jährige Daniel mit einem Schulhofschläger aus seiner Jugend abrechnete. Mit Genugtuung erzählt er in Interviews heute, der Fiesling sei inzwischen Spoon-Fan.
Daniel hat die Band 1993 in Austin gegründet und sich als Mastermind der Gruppe zu beachtlichen Erfolgen durchgebissen. Spoon ist nie etwas zugeflogen, mit ihrer siebten Platte Transference erreichten sie vor vier Jahren aber doch die Top 5 der US-Albumcharts. Dann pausierten sie länger als je zuvor, um nun mit einer sehr Spoon-typisch betitelten Platte zurückzukehren. They Want My Soul erwähnt in seinem Titelstück sogar noch einmal den armen Rüpel Jonathon Fisk, die Botschaft ist unmissverständlich unversöhnlich. Keine Altersmilde bei Spoon.
Stattdessen fallen Daniels Lieder abermals durch ihren unrunden Gang auf: Die Gitarren verkanten, das Klavier hämmert bluesig, Streicher setzen Schockeffekte. Über diesen robusten Schrammelrock singt Daniel mit kratziger Klagestimme, zum Beispiel von einer Ex-Partnerin, die ihm bloß nicht mit „Freunde bleiben“ kommen soll. Kaum ein Musiker pflegt seine Feindschaften leidenschaftlicher als dieser Sturkopf. Das ist die eine Seite der Geschichte.
Auf der anderen Seite steht die Erkenntnis, dass Spoon zunehmend zur Soul-Band werden. Um das zu verstehen, muss man sich erst von der vorsteinzeitlichen Annahme verabschieden, dass Soul immer smooth und soft ist – und dann auf die Feinheiten achten. Das tapsige Zusammenspiel der Rhythmusgruppe, der verkappte Sommerhit Do You, selbst Daniels wortlose Vokalspielereien: All das klingt immer häufiger nach einer überqualifizierten Hochzeitsband, die sich mit gelockerten Krawatten durch die Lieder von Diana Ross mäht und noch den stimmungsvollsten Festsaal leer spielen könnte.
Betrachtet man die Sache aus dieser Richtung, ist They Want My Soul nicht länger der geplagte Ausruf eines Rocksängers, der sich von Idioten umgeben wähnt. Der Titel stimmt dann einfach. Vor allem in den USA wollen die Leute genau diese soulig-knarzige Variante von Spoon. Sie existiert seit der 2007er Platte Ga Ga Ga Ga Ga, wurde seitdem immer erfolgreicher und gelangt mit dem neuen Album zur Formvollendung.
Daniel demonstriert dabei Prinzipientreue: Kein Kitsch, keine verschenkten Liebesliedzeilen oder anderen Klischee-Kram. Aus den Texten, die er für They Want My Soul geschrieben hat, spricht eine in mehr als 20 Karrierejahren erprobte Abneigung gegen alles Falsche und Verräterische. Aus der Musik von Spoon spricht aber auch die Schlüsselerkenntnis des Albums: Eine gute Soul-Band muss gönnen können. Zumindest ein kleines bisschen.
„They Want My Soul“ von Spoon ist erschienen bei Anti/Indigo.