Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Der einsamste Bastard

 

Vor 13 Jahren hat Damien Rice der Welt das Herz gebrochen, vor acht zum letzten Mal die Scherben verpackt. Der irische Singer-Songwriter hat immer noch Liebeskummer. Es reicht langsam.

© Atlantic
© Atlantic

Bitter ist er geworden. Ein einsamer Mann, der nach all den Jahren immer noch seiner großen Liebe hinterhertrauert und nicht verstehen will, dass es ihr ohne ihn längst viel besser geht. Unmittelbar vor einem Konzert in München hatte Damien Rice seine langjährige musikalische und Lebensgefährtin Lisa Hannigan 2007 im Streit aus der Band und aus seinem Leben geworfen, seitdem will er sie zurück. Er hat Interviews gegeben, in denen er erzählt, wie sehr er sie liebt und vermisst und dass er ihr überhaupt nicht böse ist, für was auch immer. Er hat sie immer wieder angefleht, nur noch ein Mal für ihn zu singen. Er hat sie von der Bühne aus angerufen und 25.000 Menschen ihren Namen ins Telefon brüllen lassen. Und jetzt hat er ihr ein Album geschrieben.

Wenn man genau hingehört hat, waren schon die herzzerreißend melancholischen Songs auf O eher beunruhigend als traurig. Damals waren Rice und Hannigan noch ein Paar, nicht immer ein harmonisches und gesundes, dafür aber mit umso mehr Leidenschaft, die Rice in Musik steckte, der Hannigan dann ihre Stimme lieh. Unendlich roh und zerbrechlich klang es, wie er in Songs wie The Blower’s Daughter zur Akustikgitarre seine Worte zittern ließ, um dann langsam Streicher dazu zu holen und schließlich Hannigan mit drei schüchternen Zeilen ein Duett daraus machen zu lassen. An nichts als sie könne er denken, sang er, immer wieder. Ob sie etwa gesagt habe, dass sie ihn hasse und verlassen werde, sang sie ausweichend zurück. Er war sich wohl sicher, sie würde bleiben.

Auch fünf Jahre später noch, als er sich mit 9 ein zweites Album von der Plattenfirma abschwatzen ließ und darauf sein schweres Gemüt in so viel Samt und Watte packte, dass ihr Gesang darin seltsam gekünstelt klang. Ein paar Monate später war sie weg.


My Favourite Faded Fantasy
ist nun das Protokoll eines sieben Jahre andauernden Liebeskummers. Damien Rice schreibt seine Songs nicht mehr mitten im Ungewissen, die Tür im Blick und das Telefon in der Hand, sondern mit der ganzen traurigen Energie des alten Stalkers. „I made you laugh, I made you cry/ I made you open up your eyes„, singt er in The Greatest Bastard, „I helped you open up your wings/ Your legs, and many other things/ Didn’t I?„. Wenn das selbstironisch gemeint ist, dann kommt es nicht an. Aus Gitarre und Streichern lässt er im ähnlich defensiven I Don’t Want To Change You eine kitschige Cowboy-Ballade wachsen, in der seine Stimme vor lauter Knödeln gar nicht mehr brechen kann. Über die Jahre hat Rice sich eine Selbstgerechtigkeit angetrauert, die zu jedem ehrlichen Gefühl einen theatralischen Nachgeschmack hinterlässt.

Dass er es auch ohne Schutzwälle kann, zeigen Songs wie Colour Me In, ein leises Stück, in dem er haucht und heult und die Akustikgitarre zupft wie früher, ohne jede Lücke mit gefälligem Rock und bedrohlichen Versprechen zu füllen. Dann lässt er seiner Trauer immer noch viel Raum, den auch die einsamste Stimme allein nicht ausfüllen kann.

Seine Duettpartnerin wird er damit trotzdem nicht wiederbekommen. Lisa Hannigan hat längst zwei erfolgreiche Soloalben ohne ihn veröffentlicht und wehrt die Frage nach einem gemeinsamen neuen Album mit Damien Rice routinemäßig ab. Das passe ihr zeitlich gerade ganz schlecht.

„My Favourite Faded Fantasy“ von Damien Rice erscheint bei Atlantic.