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Kinder des globalen Dorfs

 

Hippies und Hipster rücken näher zusammen – und so klingt es dann: Das multikulturelle Quartett Cristobal And The Sea veröffentlicht Folkpopsongs, so schön wie Weihnachtsgeschenke.

© City Slang/Universal
© City Slang/Universal

Was zuerst auffällt: Die Hipsterbärte. Dann, dass die Mitglieder aus aller Herren Länder stammen. Schließlich: Die musikalische Anmutung wirkt fast so schluffig wie das Auftreten. Aber nein, sorry, Cristobal and the Sea sind nicht der neueste Schrei aus Berlin.

Sondern bloß eine in der sehr viel traditionsreicheren Popmusikmetropole London beheimatete Band, die in ihren Songs so viele verschiedene musikalische Ideen miteinander verschmilzt, dass eine Kategorie wie Herkunft sowieso herzlich überflüssig wird.

Denn wo soll man das verorten, was das Quartett auf den fünf Stücken seiner ersten EP Peach Bells treibt? Stammt der akustische Folk aus den USA oder England, aus den sechziger oder den siebziger Jahren? Beziehen sich die Latin-Rhythmen auf südamerikanische Vorbilder oder sind sie von aktuellen Indie-Bands wie Vampire Weekend inspiriert, die sie selber schon geklaut haben? Handelt es sich um luftigen Sommerpop mit Gebimmel, Geflöte und Geklimper oder doch eher um psychedelische Exkursionen in die dunklen Löcher der Sixties? Ist es Americana, Hippiemusik oder womöglich gar Easy Listening? Songs für die intime Kopfhörererfahrung oder die Soundtapete fürs nächste Stehrümchen? Heißen die Vorbilder The Mamas and the Papas, Beach Boys oder doch Fleet Foxes?

Vielleicht ist die wichtigste Frage eine ganz andere: Ist das nicht alles vollkommen egal? Mit Ja antworten die vier Mitglieder von Cristobal and the Sea, die aus Spanien, Portugal, Korsika und Großbritannien stammen, in einem ihrer wenigen Interviews und erklären sich zu Kindern des globalen Dorfes. Der jeweilige kulturelle Hintergrund spiele eine Rolle, sei aber auch nur einer unter vielen anderen. Neben den englischsprachigen Songs habe man auch bereits welche in Spanisch und Portugiesisch verfasst, Französisch sei in Planung.

Tatsächlich ist es weniger erstaunlich, welche Einflüsse sie verarbeiten, als vielmehr, wie sie diese zu Songs formen, die trotz ihrer Stilvielfalt klingen wie aus einem Guss. Zu verdanken ist das wohl vor allem den Harmoniegesängen, die kunstvoll über jedes Stück drapiert werden wie eine sehr geschmackvolle Tagesdecke. Ein Gewebe aus ineinander verflochtenen Stimmen, elegant schillernd und glänzend, mit dem die Songs verpackt zu sein scheinen wie Weihnachtsgeschenke.

Doch so sehr die Oberfläche auch strahlt, immerzu schwingt eine düstere, morbide Stimmung mit. Der Brokat ist brüchig, die Farben schon ein wenig verblichen, der Stoff abgenutzt nach all den Jahren im Licht. Deshalb klingt Peach Bells dann eben doch nicht nach London, nicht nach dem großen Geld, nicht aufgeräumt, sondern ein wenig improvisiert und schäbig. Eben doch nach Berlin – und es gibt ja auch eine Verbindung von Cristobal and the Sea in die deutsche Hauptstadt: Ihr Label City Slang hat hier seinen Sitz.

„Peach Bells“ von Cristobal and the Sea ist erschienen bei City Slang/Universal.