Pete Doherty kann noch singen, aber seine Inspirationsfähigkeit hat unter den vielen Drogen gelitten. Dem neuen Album der Babyshambles hört man es an.
„Die Drogen zerstören deine Stimme“, sagte Pete Doherty vor einigen Monaten in einem Playboy-Interview. Er erzählte in diesem Gespräch viele bemerkenswerte Dinge über Sucht, über Liebe und Vaterschaft. Aber der Verweis auf sein wichtigstes Musikinstrument mag von besonderem Interesse sein im Hinblick auf Sequel To The Prequel, dem neuen Album seiner Band, den Babyshambles.
Verwunderlich wie unverbraucht, wie frisch und leicht dieser Doherty da in den zwölf Songs klingt und wie wenig das ganze Doping offenbar den Zellen rund um die Stimmbänder geschadet hat. Oder andernfalls, wie gut die moderne Studiotechnik den Verfall zu verschleiern vermag.
Sechs Jahre nach dem letzten Album Shotter’s Nation erscheint also ein neues Babyshambles-Werk. Die erste Single Nothing Comes To Nothing weckte bereits die Neugier: Würde Pete Doherty nun noch einmal zum großen Wurf ausholen? Seit seiner Zeit bei den Libertines hatte er schließlich überdurchschnittlich gute Alben zwischen Britpop und Punk, manchmal sogar große Hits (Fuck Forever) herausgebracht.
Very british poltern die Babyshambles los, very ’77 noch dazu. Im Refrain von Fireman wähnt man Johnny Rotten grölen und Gott die Queen retten. Es fühlt sich ganz schön gut an, dieses Siebenundsiebzig. Gleich darauf folgt der erste Höhepunkt: In Nothing Comes To Nothing, jenem vorab veröffentlichten Song, kumulieren die stärksten Momente des Britpop. Das Stück könnte in ein Songwriting-Lehrbuch aufgenommen werden, als Lösung für das Problem: Wie schreibe ich einen eingängigen Song mit simplen Akkorden, ohne den Hörer zu langweilen? Da könnte man dann nachlesen, wie etwa die Leadgitarre Spannungsmomente erzeugt und wie einzig der Gesang die hier sanft vor sich hin plätschernden Gitarren-Harmonien bricht.
Und wo wir schon bei Crashkursen sind: Anhand des ganzen Albums könnte man noch einen kurzen Leitfaden durch die Popgeschichte erstellen. Weiter geht es bei den Babyshambles mit ein bisschen Dylan hier (Fall From Grace) und ein bisschen Mod-Poppunk da (Maybeline).
Zwischendurch scheint es, als hätten sie sich noch die Reggaerecken UB 40 ins Studio geholt, dann schippert man wieder auf Americana- und Folkgewässern (Picture Me In A Hospital) oder schreibt nölige Rockballaden (Minefield). Und wenn nichts anderes mehr bleibt, covert Doherty mitsamt Besatzung (Leadgitarrist Mick Whitnall, Bassist Drew McConell und Schlagzeuger Jamie Morrison) eben sich selbst.
Schon der Titel stellt das Album (dessen Cover übrigens Damien Hirst gestaltet hat) in einen historischen Kontext: Sequel To The Prequel, also die Fortsetzung der Vorgeschichte. Die vier Londoner verarbeiten in einer knappen Dreiviertelstunde große Teile der jüngeren Musikgeschichte, und das mehr als passabel. Im Titelstück greifen sie am weitesten zurück – Buddy Holly schwingt mit.
In den Reminiszenzen liegt auch das Problem dieses Albums. Einige Songs klingen eben bloß wie Coverversionen gestriger Hits. Nur zwei, drei Stücke weisen großartiges Songwriting auf.
Der mittlerweile 34-jährige Doherty erzählte über die verdammten Drogen noch, sie zerstörten auch die Inspiration. Sequel To The Prequel ist zwar ein überdurchschnittlich gutes Album, aber nicht gerade von Geistesblitzen geschüttelt. Immerhin: Die Stimme stimmt.
„Sequel To The Prequel“ von Babyshambles erscheint am 30. August bei Warner Music.