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Erstürmung des Luftschlosses

 

Als Sänger von Hot Chip bringt Alexis Taylor den Club zum Tanzen. Sein zweites Soloalbum ist aber eher ein Manifest der Nettigkeit. Er kämpft für ein Königreich aus Plüsch.

© Brian DeRan
© Brian DeRan

Alexis Taylor sieht aus wie ein Nerd und macht Musik wie ein Softie. Es ist seine Stimme, die selbst den Club-Bangern von Hot Chip immer etwas Sanftes und Zurückhaltendes verleiht. Taylors Spezialität sind allerdings Balladen und kleine Klavierlieder, die er der hochgerüsteten Tanzmusik seiner Hauptband gegenüberstellt und in seiner Soloarbeit ganz in den Vordergrund rückt. I only want to be your one life stand„, sang er mal für Hot Chip. Er ist echt ein niedlicher Kerl.

Await Barbarians ist Taylors zweites Soloalbum, und beinahe könnte man es für ein Alterswerk halten. Schon das verbogene Pianostück am Anfang der Platte klingt ein bisschen tatterig, anschließend geht es um die Sehnsucht des 34-jährigen Londoners nach Geborgenheit, nach einfachen, geregelten Verhältnissen. Ein Song plant den Rückzug ins Familienleben, ein anderer bemerkt, das Salzwasser zur Gesundheit im hohen Alter beitragen kann.

Es scheint, als könnte die harte englische Realität nicht weiter weg sein. In Taylors Liedern gibt es keine Ukip, keine Riots oder Erhöhungen der Studiengebühren. Lieber holt er seine alten Helden von der Straße: Elvis Has Left The Building ist ein Song über die langsam einsetzende Verkalkung der Musikergeneration, die Taylor geprägt hat. Am Ende versichert er, sich rührend um Prince zu kümmern, sollte ihm der Sänger mal orientierungslos über den Weg laufen.

Schon der Titel von Await Barbarians nimmt allerdings das Ende der Idylle vorweg. Taylor wappnet sich für die Erstürmung seines Luftschlosses, die Ankunft der Harten, Gemeinen, Lauten und Doofen steht unmittelbar bevor. Seine Lieder bringen sich dagegen als Manifest der Nettigkeit in Position. Sie leben Fürsorge und Genügsamkeit vor, strahlen eine beinahe gleichgültige Tiefenentspanntheit aus und sind doch überraschend bestimmt in ihrer Mission. Kill ‚em with kindness, so weit die Botschaft. Kampflos gibt Taylor sein Königreich aus Plüsch nicht verloren.

Die musikalischen Mittel entsprechen dabei der Haltung der Lieder. Taylor hat alle Instrumente auf Await Barbarians selbst eingespielt, aber so viele sind es auch nicht: Das Klavier bleibt sein Lieblingsspielzeug, so kostbar, dass sich Taylor kaum traut, in die Tasten zu greifen. Eine Gitarre schrummt selbstvergessen durch die Platte, der Computer läuft im Hintergrund mit. Closer To The Elderly besteht nur aus einem Loop. Manchmal droht Await Barbarians unter die Grenze des Wahrnehmbaren zu rutschen.

Natürlich weiß Taylor, dass er einen aussichtslosen Kampf um seine Komfortzone führt – das Problem mit den Barbaren ist ihre Unbelehrbarkeit. Dadurch wird Await Barbarians aber nicht zur zwecklosen Künstlerübung. Wenn sich Taylor mit Banjo und Mundharmonika ein klassisches Songwriter-Kostüm überstülpt, das Hot Chip niemals passen würde, führt er sich eine mögliche künftige Karriere vor Augen. Vielleicht das Geheimnis dieses Albums: Es ist eher Altersvorsorge als Alterswerk. Und verantwortungsvolles Handeln ist immer nach Taylors Geschmack.

„Await Barbarians“ von Alexis Taylor ist erschienen bei Domino/GoodToGo.