Während Schottland um seine Unabhängigkeit streitet, erscheint die Heimatdoku From Scotland With Love. Der Folksänger King Creosote hat einen wunderbar autonomen Soundtrack dazu geschrieben.
Man müsste einfach nur schreiben: „King Creosote ist der schottische Bonnie ‚Prince‘ Billy.“ Sofort würden die analogen und digitalen Musikläden gestürmt, alle kauften sämtliche Platten des Songwriters aus dem Küstenbezirk Fife. Das allerdings könnte teuer werden. Es gibt nämlich mehr als 40, ein wahnsinniges Dickicht aus Alben, EPs, Split-Singles und Neuaufnahmen älterer Stücke, mitunter auf CDs veröffentlicht, die King Creosote selbst gebrannt und beschriftet hat. Folglich lässt sich nur unter Vorbehalt behaupten, dass mit From Scotland With Love nun sein erster Soundtrack vorliegt.
Wie Bonnie ‚Prince‘ Billy ist der 1967 als Kenny Anderson geborene King Creosote ein Songwriter, bei dem man zu jeder Zeit auf alles gefasst sein muss. Es gibt schottisch geprägte Folkstücke von ihm, mal mit Akkordeon, mal mit Akustikgitarre, es gibt aber auch Elektrisches und Elektronisches, gelegentlich sogar Lieder mit ganzem Orchester im Rücken. Seine alterslose Stimme kann ungeheuer schwermütig klingen und sich einen Song später zu großer Exaltiertheit aufschwingen. Dazu kultiviert King Creosote ein Nicht-Image als wortkarger Musikarbeiter. Er macht einfach Platten und nicht viel Wind darum.
Mit From Scotland With Love dürfte es jetzt ein bisschen lauter um ihn werden. Der gleichnamige Film der Regisseurin Virginia Heath nimmt sich nicht weniger vor, als die Geschichte des Landes anhand von Archivmaterial zu erzählen. Was ihre Dokumentation über die Bilder hinaus vermitteln will, muss die Musik von King Creosote besorgen. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, zumal From Scotland With Love in politisch aufgeladenen Zeiten erscheint.
Athleten aus 71 aktuellen und ehemaligen Mitgliedsstaaten des Vereinigten Königreichs nehmen zurzeit an den Commonwealth Games in Glasgow teil. Heaths Film verdankt dieser Tatsache einen Großteil seines Fördergeldes. Im September folgt ein Referendum über Schottlands Unabhängigkeit, die Separatisten erhoffen sich von den Spielen patriotische Motivationsschübe für ihr Anliegen. Ein Heimatfilm wie From Scotland With Love könnte da leicht instrumentalisiert werden. King Creosote lässt sich aber nicht so leicht übertölpeln.
Ohne Film wäre From Scotland With Love eben ein weiteres sehr gutes Album des Songwriters. Seine Stücke zeigen ein beinahe provokantes Desinteresse an den Begleitumständen ihrer Veröffentlichung, sie sind Liebeslieder, Selbsthilfelieder, Kinderlieder und Fischerlieder, die immer erst über das Persönliche und Spezifische zum Universellen gelangen. Eine explizite Parteinahme erfolgt nicht. Sollte es überhaupt eine übergreifende Botschaft geben, dann einen Aufruf zum Zusammenhalt, den sich im Streit um Schottlands Zukunft beide Lager in ihr Programm schreiben könnten.
King Creosote hat für From Scotland With Love einige seiner älteren Lieder mit neuen Arrangements aufgefrischt, er klingt deshalb schwelgerischer als sonst, die Streicher spielen entschlossener. In dieser sanften Soundverschiebung verbirgt sich das filmische Element des Soundtracks – eine gesteigerte Sentimentalität, die King Creosote durch einige rumpelige Stücke sofort wieder ausbremst. So lernt man am Ende mehr über die Angst des Songwriters vor der Vereinnahmung als über sein Land. Und findet zwischen den Zeilen Antworten, die komplexer sind als ein einfaches Kreuzchen hinter „Ja“ oder „Nein“.
„From Scotland With Love“ von King Creosote ist erschienen bei Domino/GoodToGo.