Heiße Scheiben aus Deutschland: Die Kompilation „D-Funk“ zeigt, wie James Last, Boney M. oder Family 5 den Groove aus Übersee verinnerlichten.
Wenn eine höhere Macht die Deutschen zu Göttern des Funk gemacht hätte, was – ja – was dann? Die Kollektion D-Funk eröffnet, ähnlich wie die Sampler der In-Kraut-Reihe von Marina Records, neue Perspektiven auf die Musik der Heimat.
Das Album versammelt 18 deutsche Titel aus Funk, Disco und Boogie Grooves, veröffentlicht zwischen 1972 und 2002. Wer hätte gedacht, dass Peter Hein und James Last an einem Strang zogen, um die USA etwas dichter an Deutschland heranzuholen. Funkateers of the world unite!
Den Sticker mit dem Slogan „Teutonic Funk Power“ hat das Label nicht zufällig auf den Sampler geklebt. Denn das trifft es. Ein mit der Faust auf den Tisch gehauener Funk, der die Gürtelschnalle zum Wippen bringt, ist beispielsweise Sweatmajor von Cheeseslider. Schnauzbart rules, alles klar? Der knallige Slap-Bass und eine Stimme, die einem auch auf dem Fischmarkt begegnen könnte, sind sicher nicht jedermanns Sache, aber immerhin ein solides Beispiel für das Macho-Posing vergangener Zeiten. Vor allem die matschige Einlage aus dem Synthesizer hat es in sich.
Stop Talking Bull von Supermax und Discotizer (alias Fünf-Sterne-Deluxe) ist eine plakative Nummer mit überdrehten Frauenstimmen und bizarren Roboterparolen. Aber es geht auch eleganter und fragiler, wie im Instrumental Kirschblüte der Veronika Fischer Band. Hier pflegt man einen weichen Groove im Philly Sound, der tatsächlich an die Originale heranreicht.
In der Gesamtschau werden seltsame Zusammenhänge deutlich, auf die man zur Entstehungszeit dieser Tracks nie gekommen wäre. D-Funkist ein Exkurs mit Überraschungseffekten. Wer hätte gedacht, dass James Last (Bolero ’75) den Groove so gut beherrscht und den Geist Deodatos auferstehen lässt? Zuweilen etwas schmalzig, dafür aber mit dramatischem Gitarrensolo.
Das Album vermittelt großen Spaß an der Ironie und eine gesunde Distanz zum historischen Kontext, in dem die Musik einst gehört wurde.
Peter Heins Gesang macht deutlich, dass der Funk, den er spricht, eine andere Bedeutung und Dringlichkeit hat. Mit ihm wurde Tanzen in Deutschland damals zu einer politischen Geste. Family 5 mit ihrem legendären Bring Deinen Körper auf die Party reihten sich nicht ein in den Gleichklang eskapistischer Vernebelung – ebensowenig Fehlfarben mit 14 Tage sowie die erinnerungswürdigen Zatopek (mit Sven Regener) und ihrem Titel Dispo Funk.
The Whitefield Brothers zeigen mit Rampage, dass Roughness nicht nur aus Louisiana, sondern auch aus München kommen kann. Stolen Property (alias Giorgio Moroder) covern den War-Hit Low Rider und Boney M. ungewohnt stilvoll Dancing in the streets. Der Titel Magic Dance von Su Kramer lässt erahnen, welche Auswirkungen die Soft-Porno-Welle und der Afri-Cola-Rausch damals hatten. Deichkind benutzten Ausschnitte dieses Stücks für ihren Hit Bon Voyage.
Das macht Lust, mal wieder den Wurzeln des Funk nachzuspüren und Defunkt, Parliament, Chic, The Commodores und – very british – The Pop Group zu hören.
Diese Kompilation ist ein echter Spaß.
„D-Funk: Funk, Disco und Boogie Grooves aus Deutschland (1972 – 2002)“ ist erschienen bei Marina Records.