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Pat und Patachon tanzen

 

Ein Duo aus Chicago gibt sich den rätselhaften Namen Pit er Pat und macht ebensolche Musik. Aus unablässigem Trommeln, Klonkern und Klopfen schält sich hier und da ein Popsong.

© Thrill Jockey

Pit Er Pat – das klingt irgendwie nach Tip und Tap, den Maskottchen der Fußball-WM 1974. Nach Pit-Pat, dieser Kreuzung aus Billard und Minigolf. Oder nach Pat und Patachon, dem dänischen Komikerduo aus der Stummfilmzeit, das so ulkig wirkte, weil der eine klein und rund, der andere lang und dünn war.

Vermutlich haben Pit Er Pat mit alledem nichts zu tun. Irgendwo im Netz wird sich gewiss eine Erklärung für ihren Namen finden. Aber fangen wir gar nicht erst an zu suchen, denn: Ist es nicht manchmal viel schöner, die Dinge im Rätselhaften zu belassen?

Hinter Pit Er Pat stecken Fay Davis-Jeffers und Butchy Fuego, sie kommen aus Chicago, und sie machen, nun ja: rätselhafte Musik. The Flexible Entertainer ist ihr viertes Album, das erste, das sie zu zweit aufgenommen haben. Früher war noch ein Bassist dabei, an dessen Stelle ist nun ein Gerät namens MPC getreten, mit dem sich allerlei synthetische Klänge erzeugen lassen.

Schiebt man die CD in einen Computer, dann zeigt die Internet-Datenbank zu den acht Songs auf dem Album acht verschiedene Genres an. Sie tragen überwiegend Fantasienamen wie Party Shuffle, Spicy oder Space Flavor, eines heißt ganz einfach Pit Er Pat. Ein schönes Durcheinander! Unablässig trommeln, klonkern, klopfen verwinkelte Rhythmen voran. Mal gesellt sich ein wenig Synthesizer-Geschwurbel hinzu, mal ertönen ein paar orientalisch anmutende Gitarrenschleifen, dann wieder ist für kurze Zeit der Hall einer einsamen Melodica zu hören. Alles ist sparsam arrangiert, Davis-Jeffers und Fuego wollen sich nicht hinter Schichten von Lärm verstecken, sondern auch die Leere zum Klingen bringen. Wie sang einst Ari Up von den Slits: „Silence Is A Rhythm Too!“

Ab und an schält sich sogar so etwas wie ein Popsong heraus. Zu Beginn etwa, gleich nach dem Intro, das Stück Water: ein kleiner, windschiefer Anti-Hit mit digitalem Brummbass und einem Hakelbeat à la Timbaland. Dazu übersetzt Fay Davis-Jeffers das rhythmische Stolpern in Worte: Drip drip drip drop drop, tic a tic a toc you ask a lot – laut Datenbank nennt sich das R&B. Nur: Wer würde dazu tanzen? Pat und Patachon vielleicht? Möglicherweise haben sie ja doch etwas mit der ganzen Angelegenheit zu tun.

Pit-Er-Pat-Musik ist eine Expedition ins Ungewisse. Sie sägt bisweilen an den Nerven, doch sie kann auch einen wundervollen Sog entwickeln. Da ist dieser Moment im Lied Nightroom, das diese Effekte eindrucksvoll verdichtet: Nach genau drei Minuten und fünf Sekunden galoppiert der Rhythmus auf einmal davon, die Sängerin müht sich hörbar, ihm zu folgen. Kann sein, dass die beiden Musiker sich einen Spaß draus machen, den Hörer auf dem falschen Fuß zu erwischen. Je länger man ihnen lauscht, je loser die Strukturen auf The Flexible Entertainer gen Ende werden, desto mehr hat es jedoch den Anschein, als hätten sie oft selbst noch nicht gewusst, was im nächsten Augenblick geschehen würde.

An einigen Stellen, ganz selten, verkehrt sich diese Lockerheit zwar in einen Zwang zur Zwanglosigkeit, die Musik leiert dann so vor sich hin. Aber kurz darauf folgt schon wieder der nächste erstaunliche Einfall, die nächste hübsche Melodie, das nächste Rätsel. Und sind es nicht gerade die rätselhaften Platten, die immer noch mal neu gehört werden wollen?

„The Flexible Entertainer“ von Pit Er Pat ist auf CD und LP bei Thrill Jockey erschienen.