Cibelle feiert den authentischen Wahnsinn: Auf ihrem neuen Album tanzt sie über einen schrägen Showplaneten. Kermit, der Frosch, James Bond und Tom Waits machen mit.
Cibelle ist eine höfliche Frau. Sie heißt den Hörer herzlich willkommen auf ihrem neuen, dritten Album und erklärt ihm zunächst die Umstände des Zusammentreffens. Die Erde sei abgeschmiert, tja, immerhin geblieben sei ein Felsklümpchen, das nun durchs All gleite. Darauf gäbe es einen Dschungel, einen Ozean – und natürlich das Las Vênus Resort Palace Hotel und diese großartigen Shows, deren Gastgeberin sie, Sonja Khalecallon, sei. Im übrigen: Die Affen solle man bitte nicht füttern.
Sonja Khalecallon, geboren als Cibelle Cavalli in São Paulo, dann einige Zeit Bürgerin von London, tanzt in einem scheußlichen Kostüm über die Bühne ihres kleinen Sündenpfuhls auf dem Planeten der Übriggebliebenen. Alles ist erlaubt, jede Erinnerung an den zerstobenen Heimatplaneten wird in einen Klang gefasst und laut herausgeprustet. Mit der Marimba rechts angetäuscht, im Dubstep links vorbeigezogen, von Blechbläsern umringt – und schließlich doch von der melodramatischen Harfennummer zum Heulen gebracht. Cibelles Stimme ist toll, schrill nur, wenn sie soll, oft getragen im schieren Wirrwarr der Klänge. Meist singt sie englisch, auch mal portugiesisch, mal tönt die Band entfesselt, dann wieder schleppt sie sich schwer durch die Nummern.
Unter den zwölf Liedern ihrer Show sind drei Coverversionen, es sind vor allem diese, die die Grenzenlosigkeit von Cibelles Universum spiegeln. Da ist zum einen Underneath The Mango Tree – das summte einst Ursula Andress im ersten James Bond-Film – beschwingt und sonnig, das reine Karibikklischee. Dann Lightworks, ein überkandidelter Western-Blues, der auf einem 50 Jahre alten Sample des Elektronikpioniers Raymond Scott basiert.
Und schließlich, kurz vor Feierabend, die beschwingte Ballade It’s Not Easy Being Green – die von Weltschmerz triefende Erkennungsmelodie von Kermit, dem Frosch. „It’s not that easy being green, having to spend each day the color of the leaves, when I think it could be nicer being red, or yellow or gold“, singt Cibelle. Dabei schillert es zwischen James Bond, naiver Elektronik und dem Frosch nun wahrlich schon in allen erdenklichen Farben.
Das klingt nach Klamauk? Nach präzis‘ berechneter Verrücktheit? Nein, das klingt nicht so. Cibelles Wahnsinn ist authentischer, als das – gleichwohl oft unterhaltsame – Gejaule von CocoRosie, weniger Masche, als das schorfige Gepolter von Tom Waits (ihre Version seines Green Grass ist Cibelles bislang größter Hit).
Schließlich verabschiedet sich Sonja Khalecallon. Sie freue sich, würde man die Party am Ende der Welt bald wieder beehren. Langsam gleitet ihr Felskrumen hinfort, noch lange hängen die süßen Töne im Ohr.
„Las Vênus Resort Palace Hotel“ von Cibelle ist bei Crammed Discs/Indigo erschienen.