Als hätten Phil Spector und John Lennon süßlichen Gitarrenpop zusammen geschrieben: Ed Harcourts Album „Lustre“ ist ausgefeilt bis in die letzte Note.
Der Brite Ed Harcourt war immer einer der Aufrichtigen. Einer, dem man glaubte, was er sang. Einer, der sein Seelenleid ausbreitete, ohne schmierig zu klingen oder melodramatisch. Vier Alben voller anschaulich trauriger Poplieder veröffentlichte er seit dem Jahr 2000, dann machte er eine Babypause. Nun, da Roxy Harcourt-Smith den Vater auch mal für ein paar Stunden entbehren konnte, nahm er Lustre auf. Auf der Hülle posiert die ganze Familie im feurigen Abendrot. Ein furchtbar schmieriges Bild.
Aber ganz und gar keine furchtbare Platte: Denn die Melodien gehen Ed Harcourt so leicht von der Hand, wie eh und je. Leicht überhört man seine Verzweiflung, in Church Of No Religion etwa. Da haucht er zu schlurfendem Allerweltspop Existenzialismen ins Mikrofon, singt von Wahrheit und Sünde, von Engeln und Teufeln. Und dann ergießt sich samtenes Arrangement in den weiten Raum, ein Refrain der die Melancholie als befriedigenden Seelenzustand feiert: „You think all your cardinal sins will stay underground, you’ve ruined almost everything, so step down, down, down, down, down… „
Church Of No Religion ist einer der schönsten Momente der Platte aber auch einer der glattesten. Überhaupt erinnert wenig an die angekratzen Oberflächen seiner ersten Lieder vor zehn Jahren. Lustre ist Pop in Vollendung, ausgefeilt bis in die letzte Note. Heute mischt sich das Gitarrenspiel mit süßlichem Mädchenpop, mit der großen Geste Phil Spectors, der Verspieltheit John Lennons. Und textlich unterlegt Harcourt die larmoyante Introspektion mit den Eindrücken der Vaterschaft und einer langen Beziehung.
Frieden verschafft ihm das alles nicht: Hingebungsvoll romantisch wirft er sich in die neuen Lieder, meist erzählt er von seiner Suche nach der wahren Liebe – wenn er sie fand, dann war sie es doch nicht. In Haywired singt er davon, wie seine Frau ihn rettete, „The self-destructive don’t believe that there’s a crisis they can leave – and then I married you.“ Eine Orgel wabert versonnen, der Viervierteltakt dazu ist leicht verschleppt und die Gitarre nur sanft gestrichen. Das klingt nach einem Ausweg, nach einem Moment des Glücks. Doch, na klar, plötzlich knallt die Orgel durch und es dröhnt und schiebt zu der Einsicht: „It’s not easy to be happy and get away with it.“ Ja, was denn nun?
Das alles trägt Ed Harcourt mit euphorisch gepresster Stimme vor, so als sei jedes Wort Wahrheit, als erfülle es ihn mit absoluter Genugtuung, seinen Gefühlen den angemessenen Ausdruck zu geben. Ähnlich klang Jeff Buckley oft, so versunken in die eigenen Gedanken, so bemüht um den aufrichtigen Ausdruck. Wenn er ihn fand, dann überschlug sich seine Stimme beinahe. Auch Ed Harcourt passiert das manchmal.
„Lustre“ von Ed Harcourt ist bei Piano Wolf/Alive erschienen.