Schmetterlinge und Tränen toute la nuit: Vier im Sounddesign versierte Dänen, suchen Frankreich mit der Seele. „Cours Lapin“ ist ein wunderbares Album für den Herbst.
Tief in der Nacht, wenn bei Arte Programmschluss ist, schickt der Sender die letzten unentwegten Zuschauer mit einer Bildschleife ins Bett: Mitarbeiter, als Schafe verkleidet, üben sich im Bocksprung. Darunter liegen flauschige Klangwolken, hingetupft von der 32-jährigen dänischen Sängerin und Komponistin Louise Alenius.
Wie niedlich, denkt man zunächst, die kleine, täglich ausgestrahlte Auftragskomposition ist vielleicht ihr erster kleiner Dauerhit. Weit gefehlt. Alenius verbringt ihre Zeit nicht kiffend in Christiania. Sie ist Profi. Ihre Agentur für Sound-Design mit Sitz in Kopenhagen und Paris produziert nahezu alles an Gebrauchsmusik, was man heute so braucht, Ballettmusik, Filmmusik, Werbespots, Station-IDs. Ein guter Teil des akustischen Ameublements von Arte stammt aus dieser Werkstatt.
Alenius hat unter anderem mit Benjamin Biolay gesungen. Nach Gründen für die Frankophilie ihrer Band Cours Lapin muss man also nicht weiter suchen. Zudem trägt ihr Label den schönen Namen Fake Diamond Records. Die Mitmusikanten, wie etwa der Tastenmann Peder Pedersen, dessen feinschnurpselige Elektromusik sich über unzählige Lounge-Compilations in der Welt verbreitet, können auf diesem Niveau locker mitspielen.
Auch wenn Cours Lapin sich gerade zum Hype entwickeln, sind sie also nicht gerade Newcomer. Das selbstbetitelte Debütalbum ist dennoch eine Überraschung. Es beginnt mit dem sanften Walzer 1,2,3, Eintritt in eine Retro-Kino-Welt, in der Alenius’ kindlich-traumwandlerische Stimme Amélie-haft durch die Kulissen wandelt. Jeder Song ein Szenario für den Film im Kopf, schwarz-weiß mit leichten Kratzern, trotz der feinen Aufnahmetechnik. Vier Dänen, die Frankreich mit der Seele suchen. Und finden.
Das Album: ein Spätsommerstrandspaziergang an der Cote d’Azur. Alenius hält ihr Ohr an ein Schneckenhaus und lauscht dem Son d’un escargot. Ihre Larmes secrètes fließen toute la nuit. Sie fängt Stimmungen ein wie Schmetterlinge. Etwa die fein gesponnene Melancholie in Le jour le temps s’arrête: „Die Frau schließt ihre Augen / und denkt an nichts / jetzt gibt es einen verlassenen Körper / auf einem Bett /(…) Die Zeit hält an / aber draußen beginnt ein neuer Tag“. Mit der Musik von Cours Lapin im Bett liegen zu bleiben ist in diesem Herbst eine schöne Option.
„Cours Lapin“ von Cours Lapin ist erschienen bei Fake Diamonds/Rough Trade.
Aus der ZEIT Nr. 40/2010