Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Ein Land, zwei Welten

 

Der Präsident und sein Herausforderer traten am Donnerstag beide im heiß umkämpften Bundesstaat Ohio auf. Ohio könnte bei der Wahl am 6. November das Zünglein an der Waage sein.

Beide redeten nur 400 Kilometer voneinander entfernt und zur selben Zeit. Und sie hatten sogar dasselbe Thema am Wickel: Wie bringt man Amerikas Wirtschaft wieder in Schwung? Wie schafft man Arbeitsplätze und baut zugleich den gigantischen Schuldenberg ab?

Doch der Demokrat und der Republikaner sprachen völlig unterschiedliche Sprachen. Barack Obama und Mitt Romney leben zwar in einem Land, aber in zwei unterschiedlichen Welten. Deutlicher konnte der Unterschied nicht sein, im Auftritt, in der Aussage, in ihren Visionen.

Romney: Weniger Staat!

Mitt Romney sprach rund 20 Minuten und eher in Allgemeinheiten. Er warf Obama vor, nichts von der Wirtschaft zu verstehen, viel zu versprechen, aber das Leben der Leute nicht zu verbessern.

Mitt Romneys Argument: Die Arbeitslosigkeit liege immer noch bei rund acht Prozent, den Menschen fehle die Zuversicht, zwei Drittel meinten, ihr Land sei auf dem falschen Weg.

Romneys Plan: Weniger Steuern, weniger Gesetze, weniger Staat! Hätten die Menschen und die Unternehmen mehr Geld in der Tasche, würde die Regierung die Bürger und Konzerne weniger gängeln, würde die Wirtschaft wieder Fahrt aufnehmen.

Obama: Ohne Investitionen keine Zukunft!

Barack Obama sprach fast 50 Minuten, er war konkret, manchmal bis ins Detail. Er attackierte Romney, lediglich in die konservative Klamottenkiste zu greifen und jene altbackenen Konzepte hervorzukramen, die genau in diese Wirtschaftskrise geführt haben.

Obamas Argument: Schon Präsident George W. Bush habe auf weniger Steuern, weniger Regulierungen und weniger Staat gesetzt. Aber die Geldgeschenke für Reiche hätten nicht einen einzigen Arbeitsplatz mehr geschaffen. Und die laxen Gesetze hätten Hauskäufer, Banken und die Wall Street übermütig gemacht.

Obama beklagte, dass Amerikas Mittelklasse seit über einem Jahrzehnt schmählich von der Politik und der Wirtschaft im Stich gelassen worden sei. Dass er nun die vielen Fehler der Vergangenheit mühsam korrigieren müsse.

Obamas Plan: In die Bildung, in die Wissenschaft, in die Infrastruktur investieren. Die Mittelklasse entlasten, aber die Reicheren, die über 200.000 Dollar im Jahr verdienen, stärker zur Kasse bitten. Denn ohne Geld in der Staatskasse könne man nicht helfen, Amerika fit für die Zukunft zu machen.

Vision oder Wiederholung?

In der Tat stehen sich hier zwei völlig unterschiedliche Konzepte gegenüber. In der Tat spricht mehr für Obamas Plan als für Romneys Wiederholung einer Politik, die bereits ganz offensichtlich versagt hat.

Obamas Problem allerdings bleibt, dass auch er noch nicht beweisen kann, dass sein Programm wirklich greift. Viele Bürger spüren bislang noch keine große Besserung. Es kann sogar gut sein , dass die Arbeitslosigkeit weiter steigt.

Das Argument des Präsidenten, seine Politik habe das Land wieder auf die Füße gestellt, ohne Konjunkturprogramm, Bankenkontrollgesetz und Gesundheitsreform würde es den Menschen noch schlechter gehen – dieses Argument zieht in Wahlkampfzeiten wenig.

Es ist darum nicht auszuschließen, dass sich die Mehrheit der Amerikaner am 6. November entscheiden wird, mit Romney und seinen Republikanern zurück in die Zukunft zu gehen.