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Obama und Romney lassen lieber die Finger vom Waffenrecht

 

Das Thema Waffenrecht ist heikel für die Wahlkämpfer in den USA. Selbst nach dem Amoklauf von Aurora dürfte damit nichts zu gewinnen sein: Die Mehrheit der Amerikaner lehnt schärfere Regelungen weiterhin ab; die Verfassung garantiert jedem seine Pistole oder sein Gewehr, dieser Grundsatz ist vielen heilig. Besser also, man sagt so wenig wie möglich. Präsident Barack Obama und sein republikanischer Herausforderer Mitt Romney haben deshalb in den Tagen nach der Tragödie eine fast ängstliche Zurückhaltung an den Tag gelegt.

Die Meinungsforscher des Pew Research Center fragten zuletzt im April, was den Amerikanern wichtiger sei: das Recht auf Waffenbesitz zu schützen oder den Waffenbesitz stärker zu kontrollieren. Mit dem Ergebnis: 49 Prozent Waffenbesitz vs. 45 Prozent Waffenkontrolle. Das war zwar noch vor Aurora, doch die Pew-Experten erklären, schon frühere Amokläufe hätten keinen signifikanten Einfluss auf den langfristigen Trend ihrer regelmäßigen Umfragen gehabt. Demnach sinkt sogar die Unterstützung für Waffenkontrolle, während sie für das Recht auf eine Waffe steigt.

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Die Macher der Website Patchwork Nation sind noch einen Schritt weiter gegangen und haben die Umfrageergebnisse abgeglichen mit ihrer Typisierung amerikanischer Wähler. In lediglich drei der zwölf Gruppen, die ihr Modell definiert, gibt es eine Mehrheit für eine stärkere Waffenkontrolle. Unter den Befürwortern der verfassungsmäßigen Freiheit sind hingegen vor allem auch Schichten vertreten, die viele Wechselwähler zählen, denen also besondere Bedeutung zukommt.

Obama bricht sein Schweigen

Umso erstaunlicher erscheint es da auf den ersten Blick, dass Obama sich inzwischen vergleichsweise deutlich geäußert hat. Nach einer mehrtägigen Tour, die am Ort des Amoklaufs begann, brach er bei einer Veranstaltung in New Orleans sein Schweigen und deutete seine Unterstützung für schärfere Waffenkontrollen an. Er warb für einen Konsens über die politischen Lager hinweg. Das Ziel: die Gewalt durch Schusswaffen zu reduzieren.

Natürlich blieb er vorsichtig und betonte erneut die Bedeutung des verfassungsmäßigen Rechts auf Waffenbesitz. Zugleich wolle er aber alles tun, damit Verbrecher und psychisch labile Menschen nicht so einfach an Waffen kämen: „Ich glaube auch, dass viele Waffenbesitzer zustimmen würden, dass AK-47-Gewehre in die Hände von Soldaten gehören, nicht in die Hände von Kriminellen. Dass ihr Platz auf den Schlachtfeldern der Kriege ist, nicht auf den Straßen unserer Städte“, sagte der Präsident.

Und er lobte sich ein wenig selbst: In seiner Amtszeit habe es bereits Fortschritte gegeben. Background checks potenzieller Waffenkäufer seien nun gründlicher und umfassender. Das sei nicht genug, räumte Obama ein. Frühere Initiativen seien aber häufig am Widerstand des Kongresses gescheitert.

Romney gegen neue Gesetze

Noch einfacher machte es sich sein Konkurrent Mitt Romney. In einem Interview mit dem Sender NBC sprach er sich gegen schärfere Regeln aus: „Manchmal hoffen die Amerikaner, man müsse bloß das Gesetz ändern, und alle schlechten Dinge gehen weg“, sagte er. „Sie tun es nicht.“ Auf seiner Website wird ebenfalls deutlich, welche Position er vertritt: Die bestehenden Gesetze reichen aus, sie müssen einfach besser umgesetzt werden. Die Antwort auf Gewalttaten wie den Amoklauf in Aurora, sagte er in dem Interview, könne sein, „das Herz der Amerikaner zu verändern“.

Wenig Konkretes also von beiden Seiten. Dabei gäbe es durchaus einiges, über das man sprechen könnte, ohne dass gleich alle Amerikaner Angst um ihre verfassungsmäßigen Freiheiten bekommen:

  • Das im Jahr 2004 ausgelaufene Verbot von assault weapons, also vorrangig semi-automatischen Waffen, hätte etwa auch das Gewehr eingeschlossen, dass der Amokschütze in Aurora verwendete. Während des Wahlkampfs 2008 sprach sich Obama für eine Erneuerung des Verbots aus, bewegt hat sich auf diesem Gebiet seitdem nichts.
  • Romney hatte das Verbot vor Jahren ebenfalls unterstützt, inzwischen hat er seine Meinung offenkundig geändert. In einigen Staaten sind aber weiterhin solche Verbote in Kraft.
  • Das Gesetz betraf auch die Herstellung von Magazinen, die mehr als 10 Patronen fassen. Nach Polizeiangaben hatte der Aurora-Schütze ein Trommelmagazin für 100 Patronen gekauft; er wäre in der Lage gewesen, 60 Schüsse in der Minute abzufeuern. Auch bei früheren Amokläufen waren solche Magazine verwendet worden.
  • Angeblich soll der Attentäter James Holmes viele Tausend Patronen einfach online bestellt haben. Man könnte also auch darüber nachdenken, den Verkauf von Munition über das Internet zu verbieten oder zumindest stärker zu kontrollieren.

Gerade im Wahljahr dürfte das Thema aus den genannten Gründen schnell wieder in der Versenkung verschwinden. Aber es ist auch nicht so, dass Obama das verschwiegen hätte: Der politische Wille, das Thema Waffenrecht anzugehen, sei gering, sagte er in New Orleans. „Allzu oft scheitern diese Bemühungen an der Politik, am Lobbyismus und am Ende auch daran, dass andere Dinge unsere kollektive Aufmerksamkeit auf sich ziehen.“ So wird es wohl auch diesmal kommen.