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Obama und Romney fürchten den Sandy-Effekt

 

Das könnte sie dann wirklich sein, die October Surprise, jenes unvorhersehbare Ereignis, das in der heißen Phase des Wahlkampfs noch einmal alles verändert. Hurrikan Sandy hat das Zeug dazu, gut eine Woche vor der US-Präsidentschaftswahl einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Wenn der mächtige Sturm an diesem Montagabend in voller Breite auf die Ostküste stößt, könnten bis zu 60 Millionen Menschen betroffen sein, die im Gefahrengebiet leben. Vielerorts zwischen Maine und Florida ist der Notstand ausgerufen, Experten rechnen mit Milliardenschäden – und es wird trotz aller Vorbereitungen vermutlich Tote geben.

Den Wahlkämpfern wirbelt die potenzielle Naturkatastrophe gleichzeitig mehr als nur den Terminplan durcheinander – wenn man bedenkt, wie eng das Rennen geworden ist. Barack Obama und sein Herausforderer Mitt Romney mussten beide mehrere geplante Kundgebungen in Virginia, Colorado und Florida absagen, weitere dürften folgen.

Aus den Schlagzeilen verdrängt

Jetzt, wo es in den Swing States auf jede Stimme ankommt, ist das für die Kampagnen ein Problem. Wie sieht es zum Beispiel in einigen Tagen in Ohio aus, wo nach Ansicht vieler Beobachter wie so oft alles entschieden werden könnte? Ob nun der große Wahlkampfauftritt oder die emsigen Aktivitäten der freiwilligen Helfer, um an den Haustüren auch den letzten zur Stimmabgabe zu bewegen – im möglicherweise matschigen Sturm-Chaos hätten die Menschen vermutlich andere Sorgen. Und was ist, wenn in einigen Regionen Telefon, Strom, Fernsehempfang unterbrochen werden?

Wer würde sich überhaupt noch für die allerletzten Bemühungen der Kandidaten interessieren? Die Medien jedenfalls nur mit geteilter Aufmerksamkeit: Sandy wird mehr Sendezeit belegen und mehr Schlagzeilen bekommen als Obama oder Romney.

Doch das Unwetter hat schon jetzt direkte Auswirkungen auf die Abstimmung, beispielsweise in North Carolina, Ohio oder Virginia, wo die Wähler schon vor dem 6. November ihr Kreuz machen können. Sandy wird viele davon abhalten, teils sind die Wahllokale wegen des Sturms bereits geschlossen, einige werden vielleicht beschädigt. Besonders spannend wird dieser Effekt unter Umständen in Florida, wo das early voting nur am Wochenende vor der Wahl möglich ist. Gerade die Demokraten haben große Anstrengungen unternommen, um so viele Menschen wie möglich zu einer frühzeitigen Stimmabgabe zu veranlassen.

Die Republikaner und der Regen

In jedem Fall dürfte der Hurrikan die Wahlbeteiligung senken, noch einmal zusätzlich, sollte am Wahltag nicht wieder die Sonne strahlen und stattdessen mancherorts eine dicke Schneedecke liegenbleiben. Schlechtes Wetter hat immer diesen Effekt gehabt, Wissenschaftler haben das 2007 im Journal of Politics auch grundsätzlicher belegen können. Sie kamen dabei zu einem weiteren Ergebnis, über das sich Romney und seine Anhänger freuen werden: Schlechtes Wetter nützt immer den Republikanern.

Für Präsident Obama schließlich ist Sandy eine Krise wie viele: Sie kann ihm nützen oder schaden. Wenn er die sich andeutende Katastrophe stark, entschieden und erfolgreich in den Griff bekommt, wird er als Held dastehen. Alle werden auf den Präsidenten schauen, der hier sämtliche Kritik an seiner Führungsstärke wegwischen könnte. Geht Obama mit Sandy allerdings ähnlich zurückhaltend um wie George W. Bush 2005 mit dem Hurrikan Katrina, wird er sich von der Enttäuschung bis zum Wahltag nicht mehr erholt haben. Romney hingegen wird dann wieder mit seiner Forderung konfrontiert werden, den Katastrophenschutz doch lieber vom Privatsektor regeln zu lassen.